Sie aus uns geworden wäre«, sagte Margaret.
»Futter für die Raben«, sagte Mimi.
Mit einem Mal wurde die Konversation entspannter, vergleichsweise herzlich, vertraulich und allgemein. Roper erwies sich als intelligent, wohlunterrichtet und als guter Zuhörer weniger intelligenter, weniger unterrichteter Gesprächspartner, zumindest, soweit es sich bei diesen um junge Frauen handelte. Mimi sprach sicherer und pointierter als gewöhnlich. Margaret ertappte sich dabei, daß sie immer weniger sagte, je wohler sie sich fühlte.
»Beech wird den Kaffee im Salon servieren«, sagte Roper, »falls Salon die richtige Bezeichnung ist.«
Sie gingen durch die Halle in ein weiteres kahles Zimmer, dessen Wände diesmal mit amtlich aussehenden Büchern bedeckt waren, lange Reihen in dunkelblaues Leinen oder kräftiges, unbeschnittenes Papier gebundene Bände. Auch hier gab es zwei aufwendige, aber wenig effektive Öllampen, die von der Kassettendecke herabzischten und -spritzten. Das Mobiliar bestand aus altmodischen Ledersesseln und Sofas und einem riesigen Schreibtisch vor dem Fenster am Ende des Zimmers, der mit hohen Stapeln ungeordneter Dokumente beladen war, außer Gebrauch und staubig. Überall im Zimmer standen Glasvitrinen mit maßstabgerechten Modellen langer, ausgestorbener Lokomotiven, und es gab der Vergangenheit angehörende Gegenstände für die Gewährleistung der Sicherheit auf den Schienen. Über dem rotmarmornen Kaminsims hing ein ungeheurer, reich von Hand kolorierter Druck, der ein Eisenbahnunglück darstellte.
»Sie belassen alles so, wie Ihr Großvater es hinterlassen hat«, stellte Mimi fest. »Es ist ein Totenhaus«, sagte Roper. »Meine Tante, wissen Sie. Sie hätte niemals erlaubt, irgend etwas anzurühren.«
Beech brachte den Kaffee, der sich als nicht sonderlich gut erwies und in übergroßen Tassen, aber angenehm heiß serviert wurde. Margaret kam das Haus noch immer kalt vor. Sie hoffte, daß sie nicht krank wurde, nach der Nässe und den Strapazen dieses Tages. Trotzdem hörte sie weiter zu, wie Mimi und Roper mit verblüffender Sympathie füreinander plauderten, warf hier und da sogar selbst eine Bemerkung ein, und war, die Geschehnisse überdenkend, erstaunt, daß im großen und ganzen alles so gut ausgegangen war. Es war Margaret, die den Kaffee ausschenkte.
Worüber sprachen Mimi und Roper? Er fragte sie nach allen Einzelheiten ihres langweiligen Büroalltags, sie erkundigte sich mit unerwarteter Begeisterung nach den frühen Tagen der Eisenbahn. Keiner von beiden konnte wirklich sonderlich interessiert sein an einem der Gesprächsthemen. Alles war äußerst unwirklich, aber behaglich und angenehm. Roper, dessen Stand in vielerlei Hinsicht Margarets Neugier zu wecken schien, erzählte nichts von sich selbst. Von Zeit zu Zeit rollte ein Zug vorüber.
»Eine Rente mit 60 entschädigt einen nicht dafür, das ganze Leben eine Nummer gewesen zu sein. Eine Ziffer. Man muß ab und zu raus aus den Geleisen.«
»Sie kommen nur auf eine Nebenlinie, in eine Sackgasse«, sagte Roper im Ton wirklicher Mutlosigkeit. »Es ist schwer, die Geleise für immer zu verlassen und weiterzumachen.«
»Haben Sie es je versucht? Was machen Sie eigentlich?« Es dauerte selten so lange, bis Mimi das fragte. Sie verabscheute Untätigkeit bei Männern.
»Ich habe früher im Büro der Eisenbahngesellschaft gearbeitet. Alle Ropers waren bei der Eisenbahn, wie Sie sich wohl denken konnten. Ich war der einzige, der rechtzeitig ausgestiegen ist.«
»Rechtzeitig für was?«
»Rechtzeitig für alles andere. Mein Vater war der Hauptgeschäftsführer der Gesellschaft. Der Versuch, den Konkurs aufzuhalten, brachte ihn um. Es ist nicht mehr so, wie sie einmal war, bei der Eisenbahn, wissen Sie. Mein Großvater wurde genau vor diesem Fenster überfahren.« Er wies über den staubigen Schreibtisch am Ende des Zimmers hinweg.
»Was für eine entsetzliche Geschichte!« rief Margaret. »Wie konnte das passieren?«
»Das Glück verließ ihn, nachdem er diesen Job angenommen hatte. Sie wissen, daß zwei vollkommen harmlose Substanzen tödlich sein können, wenn sie miteinander vermengt werden? Genau das bedeutete es für meinen Großvater, die Eisenbahn durch dieses Tal zu bauen. Es geschah eine Menge ... Etwas, wofür das Tal berühmt ist, sind die plötzlichen Stürme. In der gewissen Nacht, als ein solcher Sturm aufzog, glaubte mein Großvater, er hörte einen Baum umfallen. Sie haben die Bäume um das Haus bemerkt.
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