0001 - Ich jagte den Diamanten-Hai
sich gegenseitig. Eines der straff gespannten Seile, die Verbindung zwischen Fisch und Boot, riß, zischte wie eine Seeschlange aus dem Wasser an die Luft, beschrieb wilde Schlangenlinien und traf Phil an den Kopf. Er fiel um. Rago hatte den Weg frei und kappte das andere Seil. Die Fahrt des Bootes wurde langsamer. Es kam zum Stehen und schaukelte bald nur noch gemächlich.
Ich sah, wie Phil sich hochrappelte und sich den Hinterkopf rieb, wo das Seil ihn getroffen hatte. Auch ich spürte jetzt den Schmerz in der Hüfte. Langsam schwamm ich auf das Boot zu, das Rago mir entgegenruderte. Ich zog mich an Bord. Meine linke Seite von der Achselhöhle bis zum Oberschenkel war feuerrot und brannte. Der Schlag des Fischschwanzes war knallhart gewesen wie ein rechter Haken. Unser Bedarf an Unterwasserabenteuern war für heute gedeckt. Es ging auch bereits auf den Abend zu. Wir ruderten zum Hafen zurück. Immerhin waren wir früher dort als sonst.
»Sir«, sagte Rago, »mir erlauben, damit zu tauchen.« Er zeigte auf die Atemgeräte.
»Wenn du magst, bitte; aber nicht im Hafenbecken. Das Wasser ist so schmutzig, daß du nichts siehst.«
»Oh, Rago braucht nicht Brille. Rago vor vier Wochen hier Messer verloren. Nicht gefunden. Mit Gerät finden, weil länger unter Wasser bleiben.«
Für die Eingeborenen ist ein Messer eine Kostbarkeit. Außerdem war Rago schon lange darauf aus, unsere Geräte auszuprobieren, denn er konnte nicht begreifen, wie es uns möglich war, mit Hilfe der Preßluftflasche wie ein Fisch unter Wasser zu atmen. Wir taten ihm den Gefallen und schnallten ihm ein Gerät auf den Rücken. Wir zwängten ihn das Mundstück zwischen die Zähne und banden ihm zur Vorsicht einen Strick um den Leib; denn der Ungeübte kann mit einem Tauchgerät unangenehme Überraschungen erleben.
Er grinste, sprang über Bord und war verschwunden. An dem Gebrodel der Luftblasen und den Bewegungen des Strickes in meiner Hand spürte ich, daß es ihm gut ging. Phil beobachtete durch den Guckkasten; aber das Wasser war derart trübe, daß nichts zu erkennen war.
Während ich den Strick mit einer Hand hielt, fischte ich mir eine Zigarette aus der Tasche des Bademantels, der im Boot lag, und begann zu rauchen. Die üblichen Neugierigen hatten sich am Kai gesammelt und sahen uns zu. Rago schien es unten gut zu gefallen. Er war schon eine Viertelstunde unterwegs. Ich warf den Zigarettenrest fort und wollte ihm eben mit der Leine ein Zeichen geben, daß er heraufkommen solle, als die Leine plötzlich in meiner Hand hin und her zuckte. Die Luftblasen brodelten auf, und gleich darauf schoß Rago hoch. Er kam so rasch, daß sein Körper halb aus dem Wasser fuhr, zappelte mit Armen und Beinen und schrie etwas Unverständliches, da er den Atemschlauch immer noch zwischen den Zähnen hielt.
Ich warf mich flach über Bord und war mit wenigen Kraulstößen bei ihm. Er gurgelte immer noch unverständliche Laute. Ich tastete seinen Körper ab, da ich dachte, er sei vielleicht verletzt, aber er war völlig intakt. Ich riß ihm den Schlauch aus den Zähnen, und jetzt schrie er: »Mann steht unten! Faßt nach mir!«
Ich drückte ihm einfach den Schädel unter Wasser. Er schlug um sich und gurgelte. Ich ließ ihn Luft schnappen.
»Hör zu«, zischte ich ihm ins Ohr, »wenn du noch ein Wort schreist, tauche ich dich so lange, bis du ohnmächtig wirst.« Zur Bekräftigung drückte ich ihm den Kopf noch einmal herunter.
Er gurgelte, schrie aber nicht mehr. Im Wasser schnallte ich ihm das Gerät ab. »Schwimm zum Boot!«
Er gehorchte und schwamm mit kleinen, hilflosen Stößen. Er mußte sich furchtbar erschreckt haben, und es mußte ihm tatsächlich etwas Außergewöhnliches zugestoßen sein, wenn es ihn in eine solche Panik versetzt hatte. Merkwürdig, denn er war im Wasser zu Hause wie auf dem Land, kannte alles und hatte vor nichts Furcht. Er wußte, wie man sich zu verhalten hatte, wenn Haie in der Nähe waren, und kannte Tricks, wie man sich selbst den tödlichen Schlangenarmen der Riesenpolypen entwinden konnte.
Phil hatte ihn ins Boot gezogen und ihn lang auf den Boden gestreckt. Er schluchzte; allmählich beruhigte sich die Brust. Ich rauchte noch eine Zigarette und beobachtete die Neugierigen. Sie hatten natürlich gemerkt, daß irgend etwas los war, hatten die Hälse gereckt, aber als nichts weiter geschah, verloren sie das Interesse. Rago erschien mir weit genug, um erzählen zu können. »Was erschreckte dich so?« fragte
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