0001 - Im Nachtclub der Vampire
Sommerhitze. Das Jackett hatte der Vertreter längst ausgezogen. Jetzt lockerte er auch noch seinen Krawattenknoten. »Gib mir noch einen Schluck.«
Mona ließ Whisky aus der Flasche gluckern. Sie war jetzt mit Ted Willard allein in der Bar, denn ihre beiden Kolleginnen hatten sich unauffällig zurückgezogen. Sie würden aber früh genug erscheinen…
Ted Willard drehte sich auf seinem Hocker um. Seine Augen versuchten das Halbdunkel in der Bar zu durchdringen. Was er zu sehen bekam, war nicht gerade berauschend. Zwar originell, aber doch etwas primitiv. Da gab es die Nischen mit den kleinen Tischen und gepolsterten Sesseln. Die Mädchen verschwanden mit ihren Gästen in den Separees. Hier saß man auch nicht auf Särgen. Diese Art von Sitzmöbel war den beiden mittleren Tischen vorbehalten. Über der Eingangstür hing eine angegraute Leinwand. Auf ihr wurden wahrscheinlich harte Pornofilme abgespult. Der Projektor stand neben einem der beiden Stützbalken, ziemlich weit im Hintergrund des Lokals.
Die rote Beleuchtung stammte von nachgemachten künstlichen Kerzen, die an den Wänden hingen. Rechts und links der Leinwand leuchteten zwei Skelette, und wenn man an einem Bändchen zog, bewegten sich die zahnlosen Unterkiefer hin und her.
»Nimm doch einen Schluck«, ermunterte Mona ihren Gast.
Ted Willard trank. Dann schüttelte er den Kopf. »Ich verstehe wirklich nicht, was das alles bedeuten soll«, meinte er. »Diese Bar ist doch irre. Und so etwas versteckt ihr in einem Hinterhof?«
»Kaum zu glauben. Also, ich für meinen Teil hätte mehr aus dem Schuppen gemacht. Ihr müßt das so aufziehen wie eine Geisterbahn auf dem Rummelplatz. Mit schreiend bunten Horrorplakaten. Dann kämen die Gäste in Strömen, und der Whisky würde gallonenweise fließen.«
»Vielleicht wollen wir das gar nicht«, sagte Mona geheimnisvoll.
»Das ist doch nicht dein Ernst?«
Mona nickte. »Es ist mein voller Ernst.«
Ted Willard hob die Schultern. »Verstehe ich nicht. Ist ja auch nicht mein Bier. Außerdem«, er begann plötzlich zu grinsen, »finde ich es Klasse, wenn sich jemand um mich allein kümmert. Und wenn es drei Puppen sind, um so besser.«
Ted Willard kicherte. Er rutschte vom Hocker. »Ich werde erst mal irgendwohin gehen«, sagte er.
»Tu das«, erwiderte Mona, »aber bleib nicht zu lange!«
Es war genau sieben Minuten vor Mitternacht, als der Vertreter Ted Willard die Tür der Toilette ansteuerte. Sein Gang war schon leicht schwankend. Ein paarmal mußte er sich an der Mauer abstützen. Dann zog er die Toilettentür auf.
Ted Willard blieben sechs Minuten.
Eine Minute vor Mitternacht kam er wieder in die Bar. »Hallo, Girls«, rief er mit Stentorstimme. »Hier bin ich. Bereit zu neuen Schandtaten und heißen Spielchen!«
Nichts. Keine Reaktion.
Ted ging einige Schritte in den Barraum hinein. »He«, rief er, »wo seid ihr? Habt ihr euch versteckt, ihr Zuckerbienen?«
Er bekam keine Antwort.
Ted stellte sich mitten in das Lokal. Er stützte beide Arme in die Hüften. »Also, das ist ein Ding«, sagte er, »die scheinen ja ein besonderes Spielchen mit mir vorzuhaben. Hoffentlich gibt’s auch was zu gewinnen. Vielleicht ‘ne Baggerfahrt durch London.« Ted kicherte. Er war nicht mehr ganz nüchtern.
Mitternacht!
Irgendwo in der Nähe schlug eine Kirchturmuhr. Deutlich hörte Ted die Glockenschläge.
»Geisterstunde«, murmelte er, »uuuaaaahhh…«
Ein rasselndes Geräusch ließ ihn herumfahren. Wie von Geisterhand bewegt, war ein Rollo vor die Eingangstür geknallt.
Wieder das Geräusch.
Teds Kopf zuckte nach links.
Auch das Fenster war jetzt abgesichert.
Und noch einmal fiel ein Rollo nach unten. Diesmal vor dem rechten Fenster.
Die Ausgänge waren versperrt. Ted Willard war eingeschlossen.
Sein leicht umnebeltes Gehirn begriff nicht so ganz, was eigentlich vorgefallen war. Noch glaubte er an einen Scherz.
Noch…
Da vernahm er das dämonische Kichern. Ted fühlte eine Gänsehaut über seinen Rücken rieseln. Plötzlich begann sein Herz rasend schnell zu schlagen. Das Atmen fiel ihm schwer.
Benommen drehte sich Ted Willard um.
Und erlebte den Schock seines Lebens!
***
Die Lufthansa-Maschine aus Düsseldorf nach London war bis auf den letzten Platz ausgebucht. Deutsche, die darauf hofften, in London billiger einkaufen zu können, stauten sich in der Touristenklasse. Die Gespräche drehten sich um Kleidung und Möbel. Die Passagiere hatten sagenhafte Vorstellungen, und der junge
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