0001 - Im Nachtclub der Vampire
blondhaarige Engländer, der die Diskussionen mit anhörte, konnte immer nur den Kopf schütteln.
Er wußte es besser. Vieles, was man deutschen Touristen andrehte, war Mist. Ware, die aus Hongkong billig importiert und wieder teuer an den Mann oder die Frau gebracht wurde. Dem jungen Mann war das egal. Er hatte andere Sorgen.
Der blondhaarige Passagier mit den blauen Augen war kein anderer als Oberinspektor John Sinclair, von seinen Freunden auch Geisterjäger genannt.
Geisterjäger deshalb, weil er einen besonderen Job hatte. John war zwar Beamter bei Scotland Yard, doch in einer ganz bestimmten Funktion. Er beschäftigte sich mit Fällen, die ins Übersinnliche, Dämonische hineinspielten. Mit anderen Worten: John Sinclair hatte Monstern, Vampiren, Werwölfen und Dämonen den Kampf angesagt.
Und wie.
Bisher hatte er noch jeden Fall aufgeklärt. Bei den Mächten der Finsternis war er Todfeind Nummer eins. Er hatte ihnen am laufenden Band Niederlagen zugefügt und manchen Erzdämon vernichtet. Wie erst vor einigen Tagen im Elsaß, als er einen mörderischen Kreuzritter zur Hölle geschickt hatte.
Jetzt befand sich John auf dem Rückflug. Er freute sich auf London. John liebte die Stadt, von der gesagt wird, sie sei die größte der Welt. Er war ein Londoner Kind und wäre um kein Geld in eine andere Großstadt gezogen. Außerdem ist London und überhaupt die englische Insel das Ursprungsland der Geister und Nachtwesen. Es gab unzählige Burgen und Schlösser, die ihr eigenes Hausgespenst hatten, und hoch oben im Norden, dem schottischen Bergland, hielt sich zum Teil noch alter Keltenglaube. Heidnische Bräuche waren bis in die heutige Zeit überliefert worden. John hatte diese Erfahrung mehr als einmal gemacht.
Was in London auf ihn wartete, wußte er noch nicht. Aber arbeitslos würde er bestimmt nicht werden.
Er freute sich auch auf die Rückkehr seiner beiden Freunde Bill Conolly und Suko.
Bill, der ehemalige Reporter, und Suko, Johns chinesischer Freund und Leibwächter, machten das Hochland von Pamir unsicher. Bill wollte einen Bericht über Nepal und das höchste Gebirge der Welt schreiben, und die sechs Wochen die sie für diese Expedition eingeplant hatten, waren in fünf Tagen vorbei.
Daß der Flug für John nicht langweilig geworden war, lag an Marina Held, einem hübschen, frischen Mädchen aus Berlin, das soeben sein Abitur gebaut hatte und in London zwei Jahre bei einer großen Firma als Fremdsprachenkorrespondentin arbeiten wollte.
»Ich kann es immer noch nicht fassen, bald nach London zu kommen«, sagte Marina. »Das kommt mir alles noch wie ein Traum vor.«
»Wenn Sie erst einmal im Londoner Verkehr stecken, wird der Traum sehr schnell zu einem Alptraum«, erwiderte John lachend.
Marina schlug sich gegen den Mund. Ihre blauen Augen wurden noch größer. »Himmel, in England herrscht ja Linksverkehr! Das schaffe ich nie. Niemals.« Sie schüttelte den Kopf, und ihre dunkelblonden Haare, die sie in der unteren Hälfte zu einer Lockenfrisur gedreht hatte, flogen.
Marina lachte gern und konnte sich schnell für eine Sache begeistern. Um die Nasenflügel gruppierten sich lustige Sommersprossen.
John bot Zigaretten an.
»Danke.« Marina nickte. »Auch eines von meinen Lastern.«
Der Geisterjäger ließ sein Feuerzeug aufschnappen. »Wenn es nicht mehr sind…«
Marina blickte ihn über die Flamme hinweg an. Ihre Augen wirkten plötzlich verschleiert. »Sie kennen mich nicht, John!«
Der Oberinspektor lächelte.
Marina nahm einen Zug aus der Zigarette und blies den Rauch der Luftdüse entgegen. »An englische Zigaretten muß ich mich erst noch gewöhnen«, sagte sie. Dann wechselte sie sprunghaft das Thema. »Sagen Sie mal, John, wie sind eigentlich die englischen Männer?«
Der Geisterjäger lachte. »Wie in Berlin, nehme ich an.«
Marina lachte. »Oh, da habe ich mir aber mehr vorgestellt.« Sie zog einen Schmollmund.
»Ich will Sie nicht entmutigen«, sagte John rasch. »Ich würde an Ihrer Stelle einmal selbst ausprobieren, was es mit den englischen Männern auf sich hat.«
Marina nickte. »Das ist klar. Nur weiß ich nicht, wo ich da anfangen soll. Ich kenne keinen in London.«
John legte eine Hand auf ihre Schulter. »Ihnen wird schon etwas einfallen. So wie Sie aussehen, Marina. Briten lieben blaue Augen.«
Marina Held schaute aus dem Fenster. Sie sah einen strahlend blauen Himmel, wie sie ihn sonst nur von Postkarten her kannte. Die Sonne stand als gleißender Ball am
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