Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0002 - Ich stellte die große Falle

0002 - Ich stellte die große Falle

Titel: 0002 - Ich stellte die große Falle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
Vom Netzwerk:
und zehn Nächte lang auf einen Mörder zu warten, dem ich noch selbst Tür und Tor geöffnet hatte. Wer garantierte mir dafür, daß ich rechtzeitig aufwachte, bevor er mich in den endgültigen Schlummer befördert hatte?
    Glauben Sie mir, es war gar nicht so leichtsinnig, wie es auf den ersten Blick ausgesehen haben mag. Ich schlafe im allgemeinen wie eine Ratte, aber das nur, wenn ich weiß, daß mit Sicherheit nichts passiert. Ein Mann, der das Jagen von Verbrechern zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat, kann sich doch ein wenig auf seine Sinne verlassen. Das ist, als wäre ein Hebel umgelegt, und der ganze Organismus stünde auf ›Alarm!‹. Kurz und gut, hören Sie, wenn ich hinter irgend etwas her bin, dann kann ich ruhig einschlafen, ich würde von dem Husten einer Fliege wach werden.
    Ein Fliegenhusten war es nicht, das mich weckte. Es war ein Geräusch, vielleicht ein Knarren der Diele, vielleicht ein Schaben an der Wand, vielleicht ein stärkeres Rauschen der vorgezogenen Portieren vor den offenen Fenstern.
    Das ist das erste, wenn man glaubt, jemand wäre im Zimmer: weiteratmen, genauso weiteratmen wie bisher. Die Sinne des Gegners sind mindestens so scharf wie die eigenen. Die kleinste Veränderung im Atemrhythmus kann ihn stutzig machen.
    Völlig unbeweglich lag ich unter der leichten Steppdecke und atmete, aber ich lauschte so angestrengt, daß ich fast behaupten möchte, meine Ohren standen aufrecht wie die eines Hundes. Natürlich konnte es sein, daß ich mich wieder, wie schon sooft, geirrt hatte und eine Katze auf den Dächern für einen vielfachen Mörder hielt, aber ich ließ mich von den vorhergehenden Mißerfolgen nicht entmutigen und war so wach wie beim erstenmal.
    Ich hörte das Ticken meiner Armbanduhr. Von ganz fern schlug eine Uhr. Irgendwo brummte ein Automotor auf und erstarb, und zwischendurch herrschte eine absolute Stille. Das alles war nichts, und schon streckte ich mich und dachte, daß ich mich zum zigstenmal geirrt hatte, als ich, deutlich jetzt, hörte, wie sich die schweren Samtvorhänge vor dem Fenster bewegten.
    Shine hatte vor seinen Fenstern Vorhänge anbringen lassen, die bis zur Erde reichten. Die Fenster gingen nach außen auf, so daß man diese Vorhänge ganz zuziehen konnte. Obwohl ich sonst für viel frische Luft bin, zog ich diese Vorhänge jeden Abend zu, weil Shine es ebenfalls tat. Manchmal bewegten sie sich im Luftzug des Fensters, und ihr Saum schleifte über den Boden. Ich war schon öfter durch dieses Geräusch genarrt worden. Heute war dieses schwache Schleifen anders. Beileibe nicht lauter, auch nicht länger, aber anders.
    Millimeterweise hob ich meine rechte Hand zur Brust hoch, um an den Revolver zu gelangen. Immer noch atmete ich dabei regelmäßig wie ein Schlafender. Ich dachte daran, daß mein eigener Atem mich vielleicht das nächste, entscheidende Geräusch überhören lassen würde. Außerdem dröhnte mir das Klopfen des eigenen Herzens in den Ohren Ich bekam den Griff des .38ers zu fassen. So langsam, wie ich die Hand hochgebracht hatte, so langsam und vorsichtig zog ich die Waffe aus der Halfter. Mir kam es vor, als ob es Stunden dauerte.
    Ich hatte den Revolver vielleicht zur Hälfte herausgezogen, als ich deutlich hörte, wie sich der Vorhang zur Seite bewegte. Ich vernahm das Schlagen des Stoffes und das leise Zischen einiger Ringe, die sich auf der Tragestange verschoben. Ich dachte noch: Erst die Nachttischlampe anknipsen oder erst die Kanone ganz in die Hand?, als mir plötzlich ein greller Schein ins Gesicht und in die offenen Augen schoß: der Strahl einer Taschenlampe.
    Ich hörte einen Ausruf der Überraschung, einen Laut, der zwischen Erschrecken und Zorn schwankte.
    Es ist eigentlich sinnlos, Ihnen die nächsten zwei Sekunden als Zeitablauf zu schildern. Es geschah alles gleichzeitig. Der Strahl der Taschenlampe schoß mir ins Gesicht, ich wälzte mich nach rechts aus dem Bett hinaus, der Laut des Eingedrungenen ertönte, dann warf sich ein Körper auf die Stelle, an der ich eben noch gelegen hatte, und etwas schlug dumpf und doch wuchtig in das Kopfkissen, und ich denke, dieser eine Schlag traf ziemlich genau den Punkt, auf dem mein Kopf geruht hatte.
    Weich in der Schulter, rollte ich mich in der gleichen Bewegung, die mich aus dem Bett gerettet hatte, auf die Füße, und jetzt hielt ich den .38er in der Hand. Das schwere Atmen eines Menschen stand im Raum. Ich schlich zum Lichtschalter, fand ihn, drehte. Licht flutete in den Raum.

Weitere Kostenlose Bücher