0003 - Achterbahn ins Jenseits
den Kopf.
»Nein, nein«, sagte er lachend, »bei dem, was ihr vorhabt, würden wir nur stören.«
Suko nickte und grinste dazu. Bill senkte den Kopf. »Na ja, wenn du meinst. Machen wir eben morgen einen drauf. Dann ist Freitag, und wir können am anderen Tag bis in die Puppen hinein schlafen.«
Mit dem Vorschlag waren John und Suko einverstanden. Allerdings ahnten beide noch nicht, daß es zu diesem Treffen nicht kommen würde, denn auf dem Rummelplatz des Satans bahnte sich bereits Schreckliches an…
Praktisch über Nacht war der Jahrmarkt aufgebaut worden.
Als die ersten Kinder am anderen Morgen ankamen, bot sich ihnen ein Bild, das ihre Augen aufleuchten ließ.
Karussells, Schaubuden, Wurstbratereien, Spielsalons und Auto-Scooter standen dichtgedrängt. Das gesamte Gelände des ehemaligen Friedhofs hatte sich in einen Rummelplatz verwandelt.
Wenige Schritte neben der Straße stand das Riesenrad. Es überragte alle anderen Karussells. Noch waren die Gondeln leer, aber am Nachmittag würden sie ihre Kreise drehen und fröhliche Menschen in einen Geschwindigkeitsrausch versetzen.
Prunkstück der Kirmes war jedoch die Achterbahn.
Sie war zwar nicht so hoch wie das Riesenrad, dafür aber hatte sie alle Raffinessen aufzuweisen, die man von solch einer Attraktion erwarten konnte.
Steile Abfahrten, rasante Kurven, höllische Kreisel, in die die Wagen gerieten, um danach wieder in die Höhe transportiert zu werden.
Es war das neueste Modell einer Achterbahn, das unter dem Namen ›Hochgebirgsbahn‹ schon in den Lokalteilen verschiedener Zeitungen für Schlagzeilen gesorgt hatte. Die Verkleidung bestand aus grün angestrichenen Papp- und Blechbergen. Es gab sogar einen provisorischen Tunnel, durch den die Wagen rasten. Die Fahrt selbst lief dann in einer weiten Kehre aus, um auf der Stoppschiene angehalten zu werden.
Die Achterbahn wurde zuletzt fertig. Ihr stolzer Besitzer hieß Carl Norton. Er stammte aus Blackpool, hatte früher sein Geld mit Schießbuden gemacht und war dann auf diese Attraktion umgestiegen.
An diesem Freitag sollte Premiere sein.
Carl Norton saß in seinem Wohnwagen und ging noch einmal die technischen Details durch. Ausgebreitet lagen die Konstruktionspläne der Achterbahn auf seinem Schreibtisch. In einer Stunde würden die Ingenieure zur Abnahme da sein, und dann mußte alles glatt über die Bühne gehen. Norten hoffte, daß es keinen Ärger gab.
Der Wohnwagen war komfortabel eingerichtet. Eine Klimaanlage sorgte für die entsprechende Temperatur. Die Fenster des Wagens waren ziemlich groß. Blumen rahmten sie ein und verbreiteten eine wohnliche Atmosphäre. Überhaupt sah es in dem Wagen sehr ordentlich aus. Das war allerdings nicht Nortens Verdienst, sondern das seiner Tochter Vera. Seit dem Tod ihrer Mutter, vor etwa einem Jahr, hatte die Zwanzigjährige ihr Studium der Theaterwissenschaften aufgegeben und versorgte nur noch ihren Vater. Das heißt, sie kümmerte sich um den schriftlichen Kram und setzte auch Verträge auf. All das hatte vorher Nortons Frau gemacht.
Der Wohnwagen war in drei Räume aufgeteilt. Außerdem gab es eine Dusche. Der große Raum wurde als Wohn- und Arbeitszimmer beansprucht. Hier schlief auch Vera Norten. Sie hatte sich ein Schrankbett gekauft, das man nur aufzuklappen brachte.
Die beiden anderen Räume dienten als Küche und als Schlafraum für Carl Norton. Die zweite Hälfte des französischen Betts blieb leer, und es gab Nächte, in denen sich Carl Norton schlaflos auf seinem Lager herumwälzte. Er hatte den plötzlichen Tod seiner Frau noch nicht überwunden.
Um so mehr stürzte er sich in seine Arbeit. Carl Norton war fast immer im Dienst. Und er hatte es geschafft, diese Achterbahn aufzustellen, trotz der ungeheuren finanziellen Belastung und der großen Schwierigkeiten, die ihm den Weg zu verbauen drohten.
Carl Norton hatte sein Kinn auf die linke Handfläche gestützt. Noch einmal ging er jedes Detail der Konstruktion durch. Es war alles klar, nach menschlichem Ermessen konnte gar nichts schiefgehen.
Hinter ihm wurde die schmale Tür geöffnet. Norton brauchte sich nicht erst umzusehen, er wußte auch so, wer den Raum betreten hatte.
Vera, seine Tochter.
Sie setzte sich zu ihrem Vater auf die Schreibtischkante und streichelte Carl Norton über das graue Haar. »Es wird schon alles klappen, Dad«, sagte sie.
Norton hob den Blick und lächelte.
»Du siehst müde aus, Dad«, stellte Vera fest.
»Und du wieder phantastisch. Du kommst
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