0004 - Ich entdeckte den Goldmacher
führte anschließend ein langes Gespräch mit Phil. Er hatte eine noch viel schlechtere Meinung von Mr. Lohmann als ich, aber ich setzte ihm auseinander, daß, wenn Lohmann wirklich zu den Goldfälschern gehörte, wir jedenfalls einen Mann als Ersatz für den armen Juan an der Leine hatten.
Als wir wenige Minuten vor acht die Terrasse betraten, sahen wir den blonden Brasilianer schon an einem Tisch. Er winkte uns zu. Seine blauen Augen blitzten.
»Es waren wirklich wichtige Fragen, deren Beantwortung Ihnen so dringend erschien«, sagte er. »Das erkenne ich sogar, obwohl ich den Zusammenhang nicht überblicke. Also: der Augenzeuge des Unfalls hat sich die Nummer richtig gemerkt. Der Lastwagen gehört einer Firma Sestros & Sestros, Avenida Appumtos 65, ein Kautschukhändler. Ihr Senor Lechero ist Angestellter der Firma, anscheinend eine Art Lagerverwalter.«
Ich pfiff durch die Zähne.
Lohmann beugte sich über den Tisch und fragte: »Sie sind amerikanische Geheimpolizisten?«
Wissen Sie, ein guter Kriminalbeamter besteht nicht nur aus Verstand, sondern auch aus Gefühl und Instinkt. Ich hatte das Gefühl, daß es jetzt am besten sei, Mr. Lohmann reinen Wein einzuschenken, und ich gab diesem Gefühl nach.
»Ja«, sagte ich.
»Und hinter was sind Sie her?«
»Jedenfalls hinter einer dicken Sache, deren Bedeutung über Brasilien hinausgeht.«
»Ihr Freund Bower verfolgte den gleichen Fall?«
»Natürlich, und es scheint, als hätte es ihn dabei erwischt.«
Eine halbe Minute lang schwiegen wir alle drei.
»Die Polizei weiß also, daß ein Wagen von Sestros & Sestros Juan Pompenos überfuhr. Was wird geschehen?«
»Nichts«, erklärte Lohmann. »Zunächst einmal gibt es in Brasilien nicht den Begriff der Fahrerflucht. Wenn die Leute von Sestros & Sestros daran interessiert sind, mit diesem Unfall nicht in Verbindung gebracht zu werden, so werden sie Stein und Bein leugnen. Die ganze Untersuchung wird sich sehr in die Länge ziehen. Schlimmstenfalls geht irgendeiner der Fahrer für ein halbes Jahr ins Gefängnis. Einem verkommenen Mestizen macht das nichts aus, wenn man ihm ein Cruzeiro-Pflaster auf die Wunde legt. Vergessen Sie nicht, daß es sich nur um einen ›Unfall‹ handelt.«
»Sie sagten heute mittag, Bower habe geäußert, er müsse wahrscheinlich in nächster Zeit ins Amazonas-Gebiet. Gab er keinen Grund dafür an?«
»Nein, aber ich kann Ihnen vielleicht trotzdem eine Erklärung liefern. Nehmen wir an, Ihr Kollege stieß wie Sie auf das Unternehmen Sestros & Sestros-Die Firma handelt mit Gummi, das heißt, sie unterhält Aufkaufstellen am Rande des Amazonas-Gebietes. Diese Stellen rüsten wilde Gummisucher aus, die in die ›Grüne Hölle‹ eindringen, Gummibäume anzapfen und die gewonnene Milch über Feuer zu großen Rohballen rösten. Diese Art des Gummisuchens ist der letzte Job, den es in Brasilien gibt, und nur Leute, die völlig am Ende sind, nehmen ihn an. Der Desperado bleibt durchweg ein halbes Jahr oder länger im Wald. Während dieser Zeit hat er genug Gummi gesammelt, vorausgesetzt, er ist am Leben geblieben. Er packt die Ballen auf sein Maultier und treckt zur nächsten Sammelstelle. Dort ziehen sie ihm die Kosten der Ausrüstung ab, die man ihm vorgeschossen hat. Man betrügt ihn hinten und vorn, und zum Schluß bleibt ihm gerade so viel Geld, daß er sich in der nächsten Kneipe eine Woche lang besaufen kann. Spätestens nach vierzehn Tagen steht er wieder vor dem Leiter der Sammelstelle, bittet um neuen Vorschuß für Geräte, Gewehr und Munition und zieht wieder in den Urwald. Das wird er solange treiben, bis ihn eine Schlange, ein Jaguar, ein Blasrohrpfeil erwischt, oder bis er sich die Lungen, die von dem Qualm des Gummiräucherns angegriffen werden, aus dem Leibe gehustet hat. Vielleicht auch erledigt ihn das Fieber. Das interessiert die Leute, die mit dem Kautschuk ihr Geschäft machen, nicht im geringsten. Von den Sammelstellen aus gehen die Ballen zu einer Zentrale und werden von dort in größeren Transporten nach Rio verschickt zu der Firma, die das ganze Unternehmen finanziert, in unserem Falle also zu Sestros & Sestros. — Ich nehme an, daß Ihr Kollege Bower der Ansicht war, daß das, was er und Sie suchen, zusammen mit den Gummiballen aus dem Urwald am Amazonas kommt.«
Ich blickte ihn an. Phil neben mir unterdrückte ein Gelächter. Der Gedanke v/ar zu absurd, sich eine Falschmünzerei mitten im Urwald vorzustellen. Aber Lohmanns Geschichte klang logisch.
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