0004 - Ich entdeckte den Goldmacher
Dann knallte er die Tür, kam aber kaum drei Minuten später heraus, ging die Straße hinunter und verschwand mir aus dem Blick. Wenn alles so stimmte, wie ich hoffte, telefonierte er jetzt. Irgendwo würde es auch in den Slums ein Telefon geben. Die nächste halbe Stunde verging ohne besondere Ereignisse, und ich fragte mich, ob ich nicht falsch lag. Der Mestize konnte ja auch Anweisung haben, die Briefe an i'lne Deckadresse weiterzuschicken.
Plötzlich war er wieder da. Vielleicht hatte er sich unterwegs einen genehmigt, daß es so lange dauerte.
Er steuerte seine Wohnung an, schloß mit einem Riesenschlüssel auf und trat ein.
Ich löste mich von meiner Hauswand, überquerte die Straße und klopfte an.
Er mußte sich noch ganz in der Nähe der Tür befinden, denn er riß sie sofort auf. Den großen Sombrero tru& er noch auf dem Schädel.
»Que?« fragte er, erkannte mich und öffnete den Mund zu einer Schimpfkanonade.
Mit einer Handbewegung meiner Linken lud ich ihn ein, einen Blick auf meine Rechte zu werfen. Er tat das, sah dpn Lauf der Null-acht blinken und klappte sein ungewaschenes Maul wieder zu.
Ich winkte ein wenig, und er ging gehorsam rückwärts. Ich betrat sein Haus.
Donnerwetter, roch es in der Bude. So nach einer Mischung von Knoblauch, Ziege und alten Socken. Na ja, es gab schlimmere Leiden auszustehen.
Die ganze Hütte bestand aus einem Raum, vollgepfropft mit einem Wust von Krempel und einem fensterlosen Gelaß, in dem der Mestize schlief. Ich zog schleunigst meinen Kopf zurück, nachdem ich ihn flüchtig hineingesteckt hatte.
Er hatte sich inzwischen zu einem Schrank zurückgezogen und richtete einen Satz auf Brasilianisch an mich.
Ich grinste und schüttelte den Kopf. Er kratzte alles zusammen, was er je an Englisch gehört hatte, und fragte:
»You want?«
»Den Mann abfangen, den du angerufen hast.«
Das ging bei weitem über seine Englischkenntnisse hinaus.
»Wo Brief?« fragte ich.
Hallo das verstand er. Er griff in seine schmutzige Jackentasche, gab mir den Brief des Konsulates geradezu freudig. Anscheinend hoffte er, mich auf diese Weise rasch loszuwerden, und es muß eine bittere Enttäuschung für ihn gewesen sein, daß ich mich vorsichtig auf einen seiner wackligen Stühle setzte und offenbar gedachte, seine Gastfreundschaft noch länger zu genießen.
Die -nächsten drei Stunden müssen stark an seinen Nerven gerissen haben. Ich hatte volles Verständnis für ihn. Ein scheußliches Gefühl, wenn ein Mann mit einem Revolver in der Hand im Zimmer sitzt, noch dazu ein Mann, mit dem man nicht reden kann. Erst starrte er mich an, dann versuchte er es noch einmal mit seinen paar englischen Brocken, dann begann er wild zu fluchen, und zum Schluß hockte er gebrochen auf einem Stuhl. Ich antwortete nicht, reagierte nicht, sondern ich behielt ihn nur im Auge und sah hin und wieder auf die Uhr.
Eine halbe Stunde nach Mitternacht wurde an die, Tür geplopft. Ich sah meinen unfreiwilligen Gastgeber scharf an, legte einen Finger auf den Mund, steckte die Null-acht weg und ging zur Tür. Ich drehte den Schlüssel, drückte die Klinke nieder und öffnete.
Ich war ein blutiger Neuling in Brasilien. Ich verstand nichts von seiner Bevölkerung von diesem Rassengemisch aus Negern, Indianern, Spaniern, Portugiesen und Abenteurern aus aller Herren Länder, aber das sah auch ich, daß an dem Mann, der kaum mittelgroß, breitschultrig und untersetzt vor der Tür stand, etwas Besonderes war.
Er trug eine lose Leinenjacke und -hose, keinen Hut und nur, ein paar Sandalen an den Füßen. Sein langes, blauschwarzes Haar reichte ihm bis in den Nacken. In der Stirn war es zu einem Pony frisiert. Seine Augen zeigten den Mongolenschnitt der Indianer, aber sie waren größer. Seine Haut war von einem ledrigen Braun, aber sein Gesicht zeigte harte, scharfe Züge. Ohne Zweifel war er ein Indianer, wenn er auch ganz anders aussah als die nordamerikanischen Rothäute.
Sein Gesicht zeigte keine Bewegung bei meinem Anblick- Er streckte seine Hand aus. Ich lud ihn ein, hereinzukommen.
Er schüttelte den Kopf und hielt die Hand ausgestreckt.
Ich wiederholte meine Einladungsbewegung. Langsam ließ er die Hand sinken, blickte mich aufmerksam an, drehte sich um und wollte gehen.
Tja, da half nun nichts. Ich griff zu, packte den Kragen seiner Leinenjacke und riß ihn rückwärts.
Es war, als hätte ich eine Schlange angefaßt, aber ich konnte ihn doch ins Haus befördern, und ich konnte auch noch die Tür
Weitere Kostenlose Bücher