0008 - Die Venusbasis
erhielt sie überhaupt keinen Eindruck, aber je länger sie sich auf die Aufgabe konzentrierte, desto deutlicher wurde ihr, was vor ihr im Innern des Berges lag.
Natürlich war es kein eigentliches Sehen, es war mehr ein Tasten und Befühlen, ein für einen normalen Menschen unverständliches Ortungsvermögen, das mit der Gabe der Telekinese verbunden war. Anne ertastete den Gang, der dicht hinter der Höhlenwand begann und ins Innere des Berges führte. Sie vermutete, daß es dort, wo er von hinten auf die Wand stieß, eine Tür geben müsse, und suchte nach dem Öffnungsmechanismus. Sie fand ihn nicht und mußte das Experiment erschöpft aufgeben. Sie ruhte sich ein wenig aus und begann von neuem. Diesmal fand sie einen weiteren Gang, der etwa zehn Meter rechts von dem ersten auf die Wand mündete, und machte dort einen erneuten Versuch, der ebenso erfolglos endete wie der vorherige.
Danach fand sie einen dritten Gang und schließlich einen vierten. Nichts an der Struktur der Stirnwände verriet, daß sie wirklich Türen seien, und vor allen Dingen war nichts zu finden, womit man sie öffnen konnte. Anne drang in Gedanken in die Gänge ein und verfolgte sie, soweit sie konnte. Ihr Tastvermögen reichte bis zu einer Entfernung von etwa dreißig Metern, darüber hinaus wurde es undeutlich und ließ schließlich überhaupt nichts mehr erkennen.
In dreißig Metern Tiefe waren die Gänge noch genauso beschaffen wie dicht hinter der Wand. Ihre Wände waren nicht gegliedert. Es gab nichts, woran Anne hätte erkennen können, welchem Zweck sie dienten, wohin sie führten, wie man sie betreten konnte. Die ganze Suche hatte etwa anderthalb Stunden gedauert. Danach war Anne so erschöpft, daß sie sich in einem innerhalb der Höhle aufgeschlagenen Zelt sofort niederlegen mußte. Rhodan wollte noch etwas von ihr hören; aber sie murmelte nur noch: „Nichts...", dann war sie fest eingeschlafen.
*
Von Annes Versuchen erfuhr der Kommandant nichts. Der Versuch eines Telekineten, mit Hilfe seiner absonderlichen Fähigkeit in die Bergfestung einzudringen, gehörte nicht zu den Dingen, die die mechanischen Orter herauszufinden imstande waren. Daher verwunderte sich der Kommandant über die Tatenlosigkeit, in der die Fremden scheinbar verharrten. Nach ihrer anfänglichen ungestümen Aktivität hatte er mehr von ihnen erwartet.
6.
Als Anne wieder erwachte, zogen die letzten Stunden des Tages vorüber. Anne hatte in ihrer Erschöpfung beinahe zwanzig Stunden lang geschlafen. Rhodan hatte die Zeit genützt, wenn auch nicht so wie er es ursprünglich vorgehabt hatte. Sämtliches Gepäck war in die Höhle hereingebracht worden, um Tom Einlaß zu verschaffen. Danach waren die Fensterlöcher mit Stücken von Zeltplanen verschlossen worden. Es bestand zwar keine Hoffnung, daß sie dem Sturm länger als eine Viertelstunde standhalten würden, aber eine Viertelstunde, die man dem Sturm abgewonnen hatte, war schon eine Menge Zeit.
Als Anne erwachte, informierte sie Rhodan über das, was sie festgestellt hatte. Sie war niedergeschlagen.
„Sie haben eine Menge Zeit verloren, nicht wahr?" fragte sie. „Durch mich."
Rhodan schüttelte den Kopf. „Sie sind für uns so wertvoll, Anne, daß wir Sie notfalls auch einen ganzen Tag lang schlafen lassen - einen ganzen Venustag, meine ich." „Oh, danke. Wollen Sie jetzt Tako hineinschicken?" Rhodan nickte. „Will er gehen?" „Ja. Sofort. Er wartet, daß ich ihm über alles Bescheid gebe, was Sie beobachtet haben."
Er ging aus dem Zelt hinaus. Tako wartete an der Höhlenwand. Rhodan erklärte ihm, was Anne wußte. Tako nickte nur. „Sie müssen in spätestens einer Stunde wieder zurück sein!" schärfte ihm Rhodan nochmals ein. „Bleiben Sie länger, dann müssen wir annehmen, daß Ihnen etwas zugestoßen ist." Tako lachte über sein breites Gesicht. „Und was wollen Sie dann tun?" Rhodan schien die Frage nicht in Verlegenheit zu bringen. „Wir werden schon etwas finden", antwortete er, „darauf können Sie sich verlassen." „Gut!" sagte er. „Also bis spätestens in einer Stunde." Im nächsten Augenblick war er fort. Rhodan machte ein ernstes Gesicht. Es war sicher, daß er einen Weg finden würde, um Tako zu helfen, falls ihm etwas zustieß. Aber im Augenblick wußte er noch keinen.
*
Tako selbst empfand in diesen Augenblicken Furcht, die ihn schaudern ließ. Er spürte den Ruck, als sein erster Teleportationssprung umgeleitet wurde, weil er sonst
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