0008 - Ich faßte den Eisenbahn-Mörder
aber dünnes Seil. Ich griff danach, verfehlte es aber.
Wie wild blinkte ich mit der Taschenlampe. Solche Fehlmanöver schienen einkalkuliert zu sein. Sie begriffen. Ich sah an den Positionslampen, daß der Hubschrauber einen Kreis flog. Der Zug gewann Vorsprung, aber der Helikopter holte ihn spielend wieder ein. Sie wiederholten das Manöver. Diesmal war ich darauf eingestellt, erwischte das Seil und zog es ein. An seinem Ende war ein kräftiger, fast geschlossener Stahlhaken angebracht. Ich hängte den Leinensack mit dem Eisenring daran, ruckte kräftig am Seil, wie es die Taucher zu tun pflegen, gab überdies noch Signal mit dem Blaulicht und ließ dann los. Der Sack mit zehntausend Dollar, dem Revolver, der Taschenlampe schwebte in die Nacht hinaus.
Liane, die meinem Manöver mit weit aufgerissenen Augen gefolgt war, so gut sie in der Dunkelheit Einzelheiten erkennen konnte, würdigte ich nach dem Einschalten des Lichtes keines Blickes. Ich verschloß die Kabine von außen, ging in Nummer einunddreißig zurück, zog meine Schuhe wieder an und klopfte an die Tür von Nummer zweiunddreißig.
»Wer ist da?« fragte Sounds Stimme sofort. Vor lauter Angst klang sie nicht grollend, sondern dünn und schrill.
»Ich bin es, der G-man. Öffnen Sie, es ist alles vorbei.«
Er öffnete. Seine kugeligen Augen starrten mich aufgerissen an. »Vorbei«, flüsterte er. »Ich hab’ nichts gehört.«
»Manchmal geht es lautlos ab. Sie können in Ihre Kabine zurückgehen.«
»Nein, nein«, zappelte er.
»Unsinn«, fuhr ich ihn an. »Ich sagte, es sei vorbei, und Sie werden kein Blut oder sonst etwas Schreckliches auf dem Fußboden finden. Trollen Sie sich!«
Er gehorchte widerstrebend. Der dicke Zigarrenqualm, der Nummer zweiunddreißig erfüllte, und meine mehr als halb leere Whiskyflasche bewiesen, daß Sound ein paar aufgeregte Stunden hinter sich hatte.
Ich nahm einen Schluck aus der Flasche, ohne mich lange mit dem Einschenken in ein Glas aufzuhalten, dann machte ich mich auf die Strümpfe, um Freddey zu suchen. Auf dem Weg warf ich noch einen Blick in Nummer einunddreißig. Der Antiquar stand vor seinem Bett und wagte nicht, den Stoffballen und die Perücke herauszunehmen.
»Na los«, sagte ich, »nehmen Sie es heraus, verpacken Sie es wieder in Ihren Koffern und legen Sie sich ins Bett, aber rühren Sie sich nicht. Ich habe noch einiges mit Ihnen vor.«
Ich sah, wie er zögernd die Hand an die Bettdecke legte, sie zur Seite schob und das Bett selbst von dem stummen Schläfer befreite.
Freddey hatte Kabine vier gemietet. Die Tür war nicht abgeschlossen. Er sprang auf, als ich eintrat.
»Und?« fragte er.
»Erledigt!« sagte ich.
Er stieß die Luft aus und ließ sich auf das Polster fallen.
»Puh, Cotton, das tue ich nie wieder. Es macht verrückt, hier zu sitzen, zu wissen, daß ein paar Yard entfernt eine dicke Sache passiert, und nicht eingreifen zu dürfen. Sie haben ihn also?«
»Ich habe einen von ihnen. Den Mörder mit dem schallgedämpften Revolver. Den Messermörder habe ich noch nicht. Sie kennen ihn übrigens. Es ist Liane Baker. Wenn Sie einen Whisky wollen, so habe ich noch einen Rest in meiner Kabine.«
Freddey schien wirklich einen Drink nötig zu haben. Es dauerte ein paar Minuten, bis er sich erholt hatte.
»Spannen Sie mich nicht auf die Folter, Cotton«, stöhnte er. »Erzählen Sie, los, Mensch!«
Ich berichtete haarklein. Er hörte lautlos zu, nur als ich erzählte, daß der Hubschrauber Sounds Brieftasche abgeholt hatte, unterbrach er.
»Sie haben wirklich die zehntausend Dollar mitgehen lassen?«
»Ja, habe ich, und ich werde Ihnen sagen, warum. Liane Baker tötete Seemer und John Smith, aber Stoneman, Morgan und Boom wurden von einem Mann getötet, einem Mann, dem ich einmal gegenüberstand. Ich zweifle nicht daran, daß der Mann der Boß der Bande ist, auch Lianes Boß, und sie wird es uns bestätigen. Mit ihrer Hilfe, ob sie will oder nicht, werden wir ihm die Falle stellen, die ihn endgültig zur Strecke bringt. Dazu ist es aber erforderlich, daß er glaubt, das Verbrechen an Sound sei gelungen, und dieser Glaube ist mit zehntausend Dollar nicht hoch bezahlt.«
»Aber da bestehen doch Schwierigkeiten, Cotton. Er wird irgendwie mit der Baker verabredet sein. Er wird stutzig werden, wenn sie nicht kommt. Er wird…«
»Sie haben natürlich recht, Freddey, aber ich glaube doch, daß es zu schaffen ist. Kommen Sie mit! Wir werden mit der Frau reden. Es ist noch eine Menge, was
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