001 - Das Grauen schleicht durch Bonnards Haus
entfernen. Das musste
noch geschehen, ehe sich die Polizei um Parkers Eigentum kümmerte.
X-RAY-1 sah ernst drein, als er Bonys Bericht verfolgte. Kein Wort des
Tadels kam über seine Lippen.
Auf Bony war sonst immer Verlass. Ohne ihn konnte er nicht sein. Er war
stete Hilfe. Der hagere Mann rettete ihm einst das Leben. Damals, als er den
schweren Unfall hatte. Der junge Mann, der eigentlich Fred hieß, wurde von ihm
nur Bony genannt. X-RAY-1 hatte ihn noch nie gesehen, und doch konnte er sich
aufgrund einer Beschreibung seines Dieners ein recht genaues Bild von ihm
machen. Er wusste um das hagere, knochige Aussehen seines Begleiters; auf diese
Weise hatte sich der Name Bony von selbst entwickelt.
Bony war der einzige Mensch, der das Geheimnis um X-RAY-1 kannte.
Damals brachte er den schwerverletzten David Gallun mit seinem Wagen sofort
ins nächste Krankenhaus. Dort stellte man klinisch den Tod des Amerikaners
fest, als er auf dem Operationstisch lag. Vier Minuten dauerte dieser Zustand.
Inzwischen machte das Gehirn David Galluns eine Veränderung durch. Er konnte
gerettet werden, doch er blieb blind. Durch seine Verletzung, von der die fast
zwanzig Zentimeter lange Narbe zurückblieb, war er in der Lage, Stimmungen und
Gefühle anderer Menschen wahrzunehmen und sogar selbst Stimmungen und Gefühle
bei anderen zu erzeugen.
Seit jener Zeit hatte sich David Galluns Leben grundlegend verändert.
X-RAY-1 nickte bedächtig. »Es scheint also, dass der Fremde Einblick in die
Notizen bekam und das Tonband abhörte. Wir haben einen unliebsamen Mitwisser
erhalten, der uns Scherereien bereiten kann, Bony. Du musst ihn unbedingt im
Auge behalten. Doch jetzt möchte ich Näheres über die Unterlagen wissen, die du
gefunden hast.«
Bony las die Notizen vor. Er beschrieb die Skizze und die Fotografien und
ließ schließlich das kleine Bandgerät ablaufen.
Für X-RAY-1, der die Vorgeschichte des Falles kannte, vervollständigte sich
das Bild. Er erhob sich, zog den Vorhang zurück und stellte sich mit dem
Gesicht zum Fenster. Es schien, als ob er auf die Straße blickte. Er fühlte die
warme Morgensonne durch das Fenster.
»Es scheint ein sonniger Tag zu werden«, meinte David Gallun. Doch seine
Gedanken weilten ganz woanders als beim Wetter. Er dachte an das
Telefongespräch, das er vor einer halben Stunde mit dem Minister für besondere
Angelegenheiten in Frankreich geführt hatte. Von ihm nahm er auch die Berichte
entgegen, die Kommissar Sarget von der Kripo angefertigt hatte. Zum ersten Mal
waren auch von dieser Seite eingehende Beschreibungen und Hinweise über die
Vampire erfolgt.
Nun fügte sich eins ins andere.
Das war der Stand der Dinge: Vor fast einem Jahr wandte sich die ägyptische
Regierung mit einer besonderen Bitte an den französischen Geheimdienst. Es
bestand die Vermutung, dass Professor Bonnard bei seiner letzten Reise aus
einem bisher unbekannten Grab kostbare Grabbeilagen – und eine Mumie entfernt
hatte. Einen Beweis gab es nicht, und unhaltbare Verdächtigungen wollte man
nicht aussprechen. Man ging mit großem Fingerspitzengefühl zu Werke. Der
französische Geheimdienst nahm sich des Falles an. Die Computer im
Hauptquartier der PSA in New York wurden wenig später mit den Daten gefüttert,
als es in Frankreich in der Nähe von Maurs zu den Überfällen der Vampire kam.
Die Computer zogen aus den entscheidenden Merkmalen ihre Schlüsse. Drei
Faktoren waren maßgebend: Professor Bonnard – die verschwundene Mumie – das
Auftauchen der Vampire, die ausschließlich Blut der Blutgruppe A saugten.
Eine Kettenreaktion von Ereignissen, die jedermann vor Rätsel stellte.
Die Auswertung durch die Computer ergab ein ebenso ungeheuerliches wie
erschreckendes Bild. Sie sahen einen Zusammenhang. Das Blut könnte für die
Mumie gebraucht werden. Dies wiederum ließ den Schluss zu, dass Professor
Bonnard eine Möglichkeit gefunden hatte, eventuell vorhandene Lebensfunken
durch frisches Blut wieder anzufachen. Noch fehlten die Beweise, und deshalb wurde
X-RAY-18 auf den Weg geschickt, um sie zu sammeln. Er konnte seine Arbeit nicht
vollenden. Er starb zu früh.
Dies hatte das Bild etwas verschoben.
Auch X-RAY-1 wurde die Veränderung sofort bewusst.
Die Vampire waren in der Zwischenzeit zu Mordwerkzeugen geworden. Sie
töteten gesteuert.
Die Berichte in der heutigen Morgenzeitung redeten ihre eigene Sprache.
Drei Menschen waren in der Nacht ermordet worden. Und sie alle waren Träger der
Blutgruppe A
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