001 - Der Gott aus dem Eis
sich in ihre Stirn bohren zu wollen.
»Ich habe Maddrax fast einen Mond lang gepflegt. Ich will ihn zu seinem Feuervogel begleiten.« Aruula bückte sich in ihr Zelt hinein, um ihr Schwert zu holen. Sie teilte das Zelt mit zwei anderen jungen Frauen. Frauen, die wie sie noch nicht Mutter geworden waren.
»Wenn Maddrax nicht im Lager ist, werden die Taratzen vielleicht wieder angreifen«, sagte Baloor.
»Sorban braucht jeden Schwertträger hier.«
Der Häuptling, der Maddrax, Baloor und seinen Sohn zu den Frekkeuschern geleitete, nickte.
»Radaars wird Maddrax und Baloor begleiten«, knurrte er. »Das reicht. Niemand wird es wagen, einen Gott anzugreifen. Aber das Lager könnten sie angreifen, wenn der Gott nicht mehr unter uns weilt. Dich brauche ich zur Verteidigung.«
Aruula presste trotzig die Lippen zusammen. Matt erfasste genau, was vor sich ging. »Ist gut.« Er hob beschwichtigend die Hand und sagte in der Sprache der Barbaren, die er in den letzten Tagen bruchstückhaft gelernt hatte:
»Ich gehen. Aruula bleiben hier.« Aruula nickte langsam und schon halb versöhnt, stolz darauf, dass Maddrax durch sie ihre Sprache lernte. Verstohlen betrachtete sie die imposante Gestalt des Gottes, der kein Gott sein wollte. Maddrax blondes Haar stand störrisch nach allen Seiten ab und um sein Kinn wucherte inzwischen ein blonder Bart.
Aber er roch nicht mehr so stark. Vor ein paar Tagen hatte sie seinen moosgrüen Anzug mit den vielen Taschen im Bach gewaschen. Darüber trug Maddrax heute einen weiten langen Umhang aus Taratzenfell. Ein Geschenk Zurpas, der alten Mutter. Oben in den Eisbergen würde es noch kälter sein als hier unten im Tal.
Aruulas Augen wanderten von Baloors verkniffener Faltenmiene zu dem flaumbedeckten Gesicht des Häuptlingsohnes. Verschlossen und hart wirkte es heute. Und spürte sie Hass und Feindseligkeit in Baloors Geist?
Die Männer traten aus dem Lager ans Bachufer. Aruula beobachtete, dass sie drei Frekkeuscher auswählten. Sie befestigten Sättel aus grauschwarzem Taratzenpelz zwischen Hals und Rumpf der Insekten und stülpten ihnen Ledermasken über die Kauscheren.
Die Männer stiegen auf. Sorban half Maddrax in den Sattel. Heftig gestikulierend stand er unter dem Frekkeuscher.
Vermutlich versuchte er, dem blonden Mann aus der Fremde zu erklären, wie man so ein Tier ritt. Aruula verkroch sich ins Zelt. Sie schlug das Fell vor dem Eingang zurück, so dass sie die vier Männer bei den Frekkeuschern im Auge behalten konnte.
Vor ihrem inneren Auge erschien das verkniffene Gesicht des Göttersprechers. Ein Frösteln lief ihr über die Schultern und die Oberarme hinunter. Die drei Frekkeuscher mit den Reitern bewegten sich behäbig über den Bach. Der erste sprang ab und setzte einen halben Speerwurf weiter südlich wieder auf.
Die verschlossene Miene des Häuptlingssohnes stand vor Aruula. Seit Tagen behandelte Radaan sie wie Luft. Und manchmal hatte sie beobachtet, dass er Maddrax mit neiderfüllten Blicken musterte.
Hasste der junge Radaan den Fremden, der vom Himmel gefallen war? Ahnte er, dass Aruula ihre Wahl getroffen hatte?
Der zweite Frekkeuscher sprang in Richtung Talausgang. Das Tier, auf dem Maddrax ritt. Auf dem dritten Frekkeuscher saß Radaan.
Aruula beugte den Oberkörper nach vorn und steckte den Kopf zwischen die Knie.
Baloors Geist fühlte sich an wie ein Gletscherbruch zerrissen, hart und wie mit Eiszacken gespickt. Die Spannung, die von ihm ausging, war noch heftiger als sonst.
Aruula drückte die Handflächen gegen Schläfen und Ohren. Ein Gefühl des Ekels kroch über ihren Magen, so stark war der Widerwille, Baloor zu belauschen. Aruula kämpfte dagegen an und versuchte sich zu konzentrieren.
Doch Baloors Geist blieb abweisend und hart. Wahrscheinlich hatte er sich durch einen Zauber verschlossen. Hatte er einen Grund dazu? Führte er etwas im Schilde, das niemand wissen sollte?
Aruula konzentrierte sich auf Radaan. Er hatte einen nachgiebigen, ungeformten Geist. Einen Geist, der leicht zu belauschen war.
Undeutliche, verwaschene Bilder zogen an Aruulas innerem Auge vorbei. Bilder des Hasses. Bilder der Gewalt. Eines hatte Sekunden Bestand, bevor es wieder zerfloss: Maddrax' Gestalt bäuchlings im Schnee. Aus seinem Rücken ragte ein Schwert. Aruula hielt den Atem an.
Das Bild zerfiel in hundert blasse Fetzen, aus denen sich schwarze Gestalten schälten. Taratzen! Dutzende von ihnen! Sie stürzten sich auf Maddrax und verbissen sich in seiner Kehle,
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