0012 - Lebendig begraben
Seltsames geschah. Der Ghoul wurde nicht zurückgetrieben, sondern nahm den Ast in seinem Körper auf. Er verarbeitete ihn direkt, zog mit solch ungeheurer Kraft daran, daß Suko loslassen mußte.
Augenblicklich wechselte Suko seinen Standort. Das war gut so, denn Ghoul Nummer zwei rückte ihm schon dicht auf den Leib. Eine Berührung wollte Suko unbedingt vermeiden. Er war schließlich nicht lebensmüde.
Suko tauchte unter, rollte sich mit eingezogenem Kopfüber den Boden und kam mit einem anderen Ast wieder hoch. Genau vor Frank Scott! Und der hielt ebenfalls einen Ast in der Hand. Sie schlugen mit den Knüppeln aufeinander ein. Der Chinese war um den Bruchteil einer Sekunde schneller. Scott wurde fast aus den Schuhen gehoben. Mit einem erstickten Schrei verschwand er im Gebüsch. Suko wußte nicht, ob Scott bewußtlos war. Sicherheitshalber hechtete er hinter Scott her, doch Scott ›schlief‹ bereits. Suko war beruhigt. Und dann hatte er Glück.
Seine Finger fühlten plötzlich etwas Kaltes. Metall. Eine Pistole. Eine Beretta. Johns Beretta!
Und die war mit geweihten Silberkugeln geladen. Kugeln, die auch einen Ghoul fällten.
Suko hatte das Gefühl, einen elektrischen Schlag erhalten zu haben. Einen Kraftstrom. Er konnte sein Glück kaum fassen. Jetzt würde es den Ghouls an die Wäsche gehen. Suko riß die Beretta an sich, rollte zweimal um die eigene Achse und sah im nächsten Moment einen der Ghouls durch halbhohes Gebüsch brechen.
Das Monster hatte sich verändert. Trotz der miesen Lichtverhältnisse bemerkte Suko die Reißzähne in dem abstoßend häßlichen Gesicht. Von dem übrigen Körper konnte er nicht viel erkennen, aber es reichte ihm auch schon so. Der Ghoul stieß ein siegessicheres Gebrüll aus, sah Suko und stürzte sich auf ihn. Er stolperte genau in die Schußlinie.
Während Suko auf dem Boden lag, feuerte er. Das geweihte Silbergeschoß stieß den Ghoul zurück. Farnkraut und Gras bedeckten seinen Körper. Das Gebrüll, das im nächsten Augenblick durch den Horror-Wald schallte, hatte nichts Menschliches mehr an sich. Suko konnte den Ghoul nicht sehen, doch die Geräusche, die dieser bei seinem Todeskampf ausstieß, reichten ihm.
Wie ein Rekrut robbte Suko über den Boden. Irgendwo lauerte der zweite Ghoul.
Suko grinste hart, als er daran dachte. Er hatte schon einen Plan ausgeknobelt, und darin spielte der Ghoul eine wichtige Rolle. Schon allein bei dem Namen Ghoul überkam einen normalen Menschen das Schütteln. Diese Aasgeier der Dämonenhierarchie konnten verschiedene Gestalten und Formen annehmen. Vielleicht als Ausgleich für ihre Widerwärtigkeit. Nur der Geruch von Moder und Verwesung, der haftete ihnen in jeder Gestalt an.
Der Chinese verhielt sich jetzt ruhig. Er wollte dieses verdammte Monster aus der Reserve locken. Das Biüllen des sterbenden Ghouls hatte aufgehört und war von einer nächtlichen Stille abgelöst worden. Suko schien es, als halte selbst die Natur den Atem an, als würde sie daraufwarten, wer nun als Sieger aus dem Kampf hervorging.
Die Zeit verrann. Minute reihte sich an Minute. Suko hatte das Naturell seiner Väter geerbt. Geduld gehörte zu seinen großen Tugenden.
Dann schreckte ihn ein Geräusch auf. Es kam von vorn, war gar nicht mal weit entfernt.
Der Chinese versuchte, mit seinen Augen die Dunkelheit zu durchdringen. Es war schwer. Bäume und Büsche schienen ein Eigenleben zu fuhren. Je länger Suko in die Dunkelheit starrte, um so größer wurde das Gefühl, von allen Seiten eingeschlossen zu sein.
Lauerten noch mehr Feinde?
Hier und da raschelte es. Wind bewegte das Gras und den Farn. In den Baumkronen schienen Schatten hin- und herzuhuschen.
Waren es Gehilfen des Ghouls? Boten aus dem Dämonenreich? Die Schatten waren nur Einbildung, aber ein anderer Gegner lauerte auf den Chinesen. Die Bluteule!
Lautlos war sie zu dem Chinesen geflogen. Jetzt hockte sie auf einem Ast, schräg über ihm, drehte den Kopf und starrte den Chinesen aus ihren blutroten Augen an. Sie spannte die Flügel und schnellte sich von dem Ast. Wie ein Stein sauste sie herunter.
Suko hatte das Gehör eines Fuchses. Ein winziges Geräusch nur warnte ihn, er riß den Kopf nach rechts, sah die Glutaugen, den schweren Körper, und dann prallte die Eule schon auf ihn. Instinktiv hatte Suko den linken Arm gektümmt und ihn abwehrend hochgerissen. Die beiden mörderischen Krallen hackten in die Ledermontur seiner Motorradkluft. Das Leder war stabil und reißfest.
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