0012 - Lebendig begraben
Suko einen hellen Schein. Der Chinese mußte das Dorf durchqueren, um den Friedhof zu erreichen. Er hörte die. Stimmen bereits, als er noch einige Yards von dem Totenacker entfernt war. Fackellicht geisterte über die Grabreihen. Der rötliche Schein spiegelte sich auf den Gesichtern der Menschen wider.
Suko flankte über die Mauer. Sein Gang war federnd und verriet die Geschmeidigkeit einer Raubkatze, als erüber den Friedhof lief. Die Menschen sahen ihn, unternahmen aber nichts. Schweigend wichen sie zur Seite. Bildeten eine Gasse. Suko erreichte das frisch aufgeworfene Grab. Zwei Männer waren dabei, die obere Erdschicht plattzuklopfen. Suko kam über sie wie ein Wirbelsturm. Er riß einem Mann die Schaufel aus der Hand, packte ihn am Kragen und schüttelte ihn durch.
»Liegt dort unten John Sinclair?« schrie er den Mann an. Der nickte.
Suko atmete tief ein. »Verdammt!« rief er und stieß den Mann zur Seite.
Die Schaufel behielt er in der Hand. Suko begann zu graben. Er ignorierte die Blicke der anderen, stach das blanke Schaufelblatt in die Erde und warf den aufgehäuften Lehm ruckartig hinter sich.
Suko arbeitete wie ein Besessener. Die Umstehenden kümmerten ihn nicht, er wollte auch die letzte Chance ausnutzen, um das Leben seines Freundes zu retten.
Er merkte nicht, daß sich die Dorfbewohner zurückzogen. Fast lautlos verschwanden sie, gingen zurück in ihre Häuser und verkrochen sich. Sie hatten ihre Aufgabe erfüllt. Zarcadi würde zufrieden sein.
Suko war in Schweiß gebadet. Er riß den Reißverschluß seiner Lederjacke auf. Er stand schon bis zu den Knien im weichen Lehm und schaufelte weiter. Unverdrossen, ohne Pause.
Neben ihm wölbte sich bereits ein schwerer Lehmhügel. Der Wind hatte aufgefrischt und den Himmel zum Teil von den Wolken freigefegt. Wie ein heller Ballon stand der Mond am Firmament. Geisterhaft streute er sein Licht auf die Erde und umflorte mit seinem Schein den kleinen Friedhof.
Die Szene sah gespenstisch aus. Der kräftige Mann schaufelte ein Grab aus, um seinen besten Freund zu retten, der darin begraben war.
In Bächen lief Suko der Schweiß über das Gesicht. Er gab nicht auf, warf alles in die Waagschale.
Er sah nicht, was um ihn herum passierte. Er hatte nur Augen für seine Arbeit.
Aus dem Schatten der Friedhofsmauer löste sich eine schmale Gestalt. Ein Mädchen.
Es trug einen weitgeschnittenen dunklen Mantel. Das Haar hatte es durch ein Kopftuch verdeckt.
Das Mädchen war Monja Dunhill. Vorsichtig blickte sich Monja um. Niemand brauchte zu sehen, was sie um diese Zeit auf dem Friedhof trieb. Wenn ihr Vater merkte, daß sie sich mit dem Fremden traf, dann war ihr Schicksal besiegelt.
Monja hatte nichts mehr zu Hause gehalten. Sie mußte einfach raus, mußte sehen, ob es noch eine Chance gab.
Suko merkte nichts. Er war völlig in seine Arbeit vertieft. Erst als Monja neben ihm stehenblieb, sah er auf, ließ die Schaufel aber nicht sinken, sondern schuftete weiter.
Monja sagte nichts. Sie hielt die Hände gefaltet, ihre Lippen murmelten unhörbare Worte.
Immer tiefer grub Suko sich vor. Jeweils nach zwei Sekunden flog eine Schaufel Lehm aus dem Grab. Der Chinese hatte nicht nachgelassen, er kannte keine Pause, er arbeitete weiter wie ein Besessener.
»Sie hätten auf mich hören sollen«, sagte Monja plötzlich. Suko gab keine Antwort.
Monja trat dichter an das Grab heran. Im Mondlicht konnte sie Sukos schweißüberströmtes Gesicht erkennen. Und sie sah die Angst in seinen Augen leuchten.
Plötzlich schrie Suko auf. »Der Sarg, ich habe den Sarg berührt!«
Er arbeitete noch wilder, angetrieben von einer ungezügelten Hoffnung. Er kratzte mit der Schaufelseite über den Sargdeckel, befreite ihn vom Dreck.
»Wenn er tot ist, ich weiß nicht, was ich mit denen hier mache«, flüsterte er heiser.
Wie ein Wilder räumte er zu beiden Seiten der prächtigen Totenkiste den Lehm weg und fand Platz, sich zwischen Sarg und Grabwand zu klemmen.
Vom Rand der Grube blickte Monja Dunhill in das Grab. Ihr Gesicht war unter dem dunklen Kopftuch nur als blasser Fleck zu sehen.
Suko stellte die Schaufel weg, ging in die Knie und suchte nach dem Deckelverschluß. Die Verschlüsse befanden sich dicht unter den Griffen und waren leicht zu öffnen. Man brauchte sie nur zur Seite zu drücken.
Suko schlug mit der Faust die Verschlüsse an den beiden Sargseiten zurück. Jetzt konnte er den Deckel abheben. Er spürte sein Herz hämmern.
Er wagte kaum zu atmen, als er
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