0013 - Ich bezwang den »Lächler«
Haar mischten sich erste graue Fäden. Ihr Gesicht war vielleicht zu hart für eine Frau, aber sie hatte Augen, die tief und dunkel waren und aus denen Güte wie ein Licht schimmerte. Sehr aufmerksam sah sie uns alle drei an.
Joe sagte im Plauderton: »Wenn Sie einen Augenblick für mich Zeit haben, könnten wir uns ungestört irgendwo unterhalten.« Links vom Salon war eine kleine Seitentür, die in ein Bibliothekzimmer führte. Dorthin brachte er uns. Er nötigte uns in drei Sessel, führte seine Frau zu einem Gobelinstuhl und blieb dahinter stehen.
»Bitte rauchen Sie, wenn Sie wünschen«, sagte Mrs. Bender, »aber wir verzichten.«
Joe strich sich die silberne Haarsträhne über der Stirn zurück. Sein Lächeln wurde weniger, obwohl immer ein Anflug davon auf seinem Gesicht zu bleiben schien.
»Sie sind der Chef vom FBI von New York geworden, Mr. High«, begann Bender. »Ich könnte mir etwas darauf zugute halten, daß ich es gewissermaßen vorausgesehen habe, aber darüber wollen wir jetzt nicht reden. Ich bin in die Staaten zurückgekehrt, obwohl mir die Regierung mitgeteilt hatte, ich könnte belangt werden, wenn Beweise wegen meiner früheren Taten gegen mich erbracht werden.«
»Die Untersuchungen liegen in der Hand des FBI Boston«, sagte Mr. High. »Ich habe bisher keine Anweisung, Ihre früheren Sünden meinerseits wieder aufzugreifen.«
Bender machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Die Vergangenheit interessiert mich nicht, Mr. High. Sie wissen ja, Sie werden nie etwas finden, das für mehr als sechs Wochen langt. Mich interessiert die Gegenwart.«
Er legte die Hand auf die Schulter seiner Frau.
»Als ich Dolores vorschlug, mit mir nach New York zu gehen, fürchtete sie, ich könnte in meine alte Laufbahn zurückfallen. Ich versprach ihr hoch und heilig, daß ich nie wieder ein Gangster werden würde. Wir kamen an. Die Presse stürzte sich auf uns. Sie nahmen mich als denjenigen, als der ich fortgegangen war. Als den ›Lächler‹. Den Gangster! Den ehemaligen Beherrscher von Boston. Den Eroberer von halb New York. Als den Unterweltführer, den die anderen Unterweltler mehr fürchteten als den schärfsten Polizisten, und sie prophezeiten schlechte Zeiten für Crainewood, Tantomos und Suthbeer und wie die Bosse der Banden heißen mögen. Niemand wollte glauben, daß ich als Privatmann zurückgekehrt bin, und meine Versicherungen, die ich gab, druckten sie in ironischen Anführungszeichen ab.«
»Ihr Ruf war früher zu groß, Joe«, sagte Mr. High. »Aber auch das wird sich geben. In drei Monaten spricht kein Mensch mehr von Ihnen.«
»Ich habe Sie nicht grundlos um diese Unterredung gebeten, Mr. High«, fuhr der › Lächler‹ fort, ohne auf den Einwand einzugehen. »Sie sind der Chef des FBI, und wenn ich in New York an meine Vergangenheit anknüpfte, würden Sie sich auf meine Fährte setzen.« Er lächelte. »Oder einen von den beiden Burschen damit betrauen«, sagte er mit einer Kopfbewegung zu Phil und mir hin. »Ich möchte, daß Sie mir glauben, Mr. High. Ich sage Ihnen offen, daß ich einen Grund habe, Ihre Hilfe zu erbitten.«
Er legte eine kleine Pause ein, sah vor sich hin, hob dann wieder den Kopf und fuhr fort:
»Ich bin nicht arm aus Mexiko zurückgekommen, aber nicht so reich, wie ich hingegangen bin. Ich hatte nicht mehr so viel Spaß an Geschäften. Ich dachte, daß zuviel Blut geflossen war damals in New York. Und wenn ich es auch nicht vergossen habe, so war ich doch daran schuld. Glauben Sir mir, Mr. High, ich war ziemlich down, als ich nach Mexiko ging. Erst Dolores brachte mich wieder seelisch auf die Beine. Okay also, ich muß Geld verdienen. Ich weiß noch nicht, auf welche Weise. Vielleicht werde ich mit irgend etwas handeln, vielleicht ein Finanzierungsbüro eröffnen. Aber ich bin abgestempelt. Man hält mich für einen Gangster und wird mich noch lange dafür halten. Wann immer ich einem normalen Geschäftsmann ein Angebot machen werde, so wird er glauben, ich wollte ihn übers Ohr hauen. Er wird höllische Tricks hinter jeder Offerte von mir vermuten, und er wird ablehnen, selbst wenn die Bedingungen günstig sind. Ich brauche Leute, die die Öffentlichkeit davon überzeugen, daß ich wirklich ehrlich geworden bin. John High, niemand kann das besser tun als Sie. Ich bitte um Ihre Hilfe.«
Er schwieg. Wir alle schwiegen, dann sagte Dolores Bender mit ihrer warmen Altstimme und dem leichten spanischen Akzent: »Bitte, helfen Sie meinem Mann, Mr. High.«
Der
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