0014 - Der schwarze Henker
schon einen zu großen Vorsprung. Außerdem war er wesentlich schneller als ich.
Nach einigen Minuten gab ich erschöpft die Verfolgung auf. Doch eines wußte ich: Der Henker und ich, wir hatten uns nicht zum letztenmal gegenübergestanden. Es würde zu einem zweiten Kampf kommen. Da war ich mir sicher.
Langsam ging ich zurück.
Von der Straße her sah ich Scheinwerfer aufblitzen. Glenda Perkins hatte die Polizei alarmiert. Die Beamten würden sich über meine Erklärungen wundern.
Ich aber mußte mir etwas einfallen lassen, um den Henker besiegen zu können.
In Pitlochry gab es zwar nur eine kleine Polizeistation, doch wenn Not am Mann war, halfen auch die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr mit.
So wie in dieser Nacht.
Wir hatten das Gelände abgesperrt. Niemand kam auf den Leichenacker. Eine menschliche Postenkette verhinderte das. Die Nachricht von der grausamen Ermordung des reichen Bürgers hatte sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen und die Bewohner aus ihren Betten gescheucht.
Jetzt grassierte wieder die Angst.
Konstabler Tim Archer und Konstabler Bellow unterstützten mich. Gemeinsam durchkämmten wir die nähere Umgebung, in der Hoffnung, irgendwelche Spuren zu finden.
Doch der Henker blieb wie vom Erdboden verschluckt. Er mußte ein verdammt gutes Versteck haben.
Ich berichtete von meinem Kampf mit dem Unheimlichen. Konstabler Archer kratzte sich am Kopf. »Da haben Sie aber verdammtes Glück gehabt, Sir. Ich könnte mir vorstellen, daß der Henker keinen Zeugen entkommen läßt.«
»Mit Silberkugeln war er jedenfalls nicht zu besiegen«, gab ich Auskunft. Die Augen der Beamten wurden groß.
»Sie… Sie… schießen mit Silberkugeln, Sir?«
»Ja. Es ist nicht das erste Mal, daß ich mit Untoten oder Dämonen zu tun habe. Mit normalen Kugeln ist denen ja nicht zu Leibe zu rücken.«
»Trotzdem haben Sie den Henker nicht stellen können!«
Ich nickte. »Exakt, Gentlemen. Meine Waffe war wirkungslos. Es muß jedoch eine Waffe geben, mit der ich den Henker töten kann. Niemand ist unbesiegbar. Auch ein Dämon nicht.«
»Da sind wir überfragt, Sir«, antworteten sie wie aus einem Munde.
»Na ja, mal sehen.« Ich vergrub meine Hände in den Manteltaschen. Nebeneinander schritten wir zum Leichenacker zurück. Der Kopf war inzwischen entfernt worden. Wie ich wußte, hatte man auch den Rumpf des Toten schon weggeschafft. Mrs. Cromwell hatte einen Nervenzusammenbruch erlitten. Sie war in ein Krankenhaus gebracht worden. Ihrem Sohn ging es nicht besser. Er lag eine Etage tiefer im gleichen Hospital.
Die drei jungen Leute hatten Beruhigungsspritzen bekommen. Sie warteten in der Praxis des Arztes. Ebenso wie Glenda Perkins.
Die Praxis war mein Ziel. Mit dem Streifenwagen ließ ich mich hinbringen, da mein eigener Bentley noch immer vor dem Revier stand.
Dem Arzt standen zwei kleine Zimmer mit Ruhebetten zur Verfügung. Zusammen mit Konstabler Bellow betrat ich die Praxis.
Ich fand Glenda schon wieder gut auf dem Damm. Sie lächelte mir entgegen. Allerdings war sie noch etwas blaß um die Nase herum.
»Alles klar?« fragte ich.
Sie nickte. »Und bei ihnen?«
»Ich lebe.«
Glenda zeigte auf meinen Mantel. »Haben Sie sich auf dem Boden herumgerollt?«
Ich blickte an meinem Trench herunter. An den Seiten klebte er vor Schmutz. »Ich hatte eine kleine Auseinandersetzung mit unserem Freund«, erklärte ich leichthin.
»Mit dem Henker?«
»Ja.«
»O Gott!« Glenda preßte ihre Hand auf den Mund. In ihren Augen schimmerte die Besorgnis.
»Es ist alles gut gegangen«, beruhigte ich sie lächelnd.
»Dann haben Sie den Henker erwischt?«
»Leider nein. Er hat es vorgezogen zu verschwinden. Wohin, das weiß ich leider nicht.« Ich blickte auf meine Uhr. Mitternacht war schon vorbei. In fünf Stunden würde es hell werden. Ich wollte mich noch etwas hinlegen, denn ich war sicher, daß der Henker in dieser Nacht nichts mehr unternehmen würde.
Das sagte ich auch dem Konstabler.
Bellow nickte sorgenschwer. »Cromwell hat er getötet«, meinte er. »Jetzt sind die Rileys und die O’Caseys übrig.«
»Wie ist es mit dem Pfarrer?«
»Ich weiß nicht, ob der für ihn interessant ist. Der Pfarrer damals hatte ja keine direkten Nachkommen.«
»Aber der heutige Pfarrer könnte uns vielleicht helfen«, überlegte ich laut. »Wieso?«
»Es gibt doch so etwas wie eine Kirchenchronik. Bestimmt wird der Henker auch darin erwähnt. Es konnte sein, daß ich darin eine Möglichkeit finde, wie er
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