0014 - Der schwarze Henker
zu befreien.
Sie sah schrecklich aus, diese mordwütige Bestie aus dem sechzehnten Jahrhundert. In Sekundenschnelle prägte ich mir den Anblick genau ein.
Die Bestie war größer als ich. Das enge schwarze Trikot spannte sich um die immensen Muskeln. Mit den Fingern der rechten Hand hielt sie den Griff des schweren Beils fest umklammert. In der Körpermitte wurde das Trikot von einem Gürtel umspannt. Die Schnalle des Gürtels glänzte golden, ebenso das Skelettgesicht. Unter der Seidenkapuze.
Der Henker sprach kein einziges Wort, und doch spürte ich die Dränung, die von dieser Gestalt ausging, fast körperlich.
Neben mir hörte ich einen unterdrückten Schrei. Es war mehr ein Stöhnen und Ächzen.
Jack Cromwell hatte es ausgestoßen.
»Der Henker! Der Henker…« Seine Stimme war kaum zu verstehen.
Ich ging ein wenig zurück, wollte Abstand zwischen uns bringen.
Er folgte sofort.
Gedankenschnell zog ich meine Beretta. Sie war mit geweihten Silberkugeln geladen. Diese Geschosse töten Dämonen der unteren Rangordnungen.
Aber auch den schwarzen Henker?
Ich mußte es auf einen Versuch ankommen lassen.
Eiskalt drückte ich ab. Ich hatte hier keinen Menschen vor mir, sondern ein Wesen aus dem Schattenreich. Ein grausames Untier, das nur dann zufrieden war, wenn es töten konnte.
Eine Feuerzunge leckte aus der Mündung der Beretta. Hart und trocken peitschte der Schuß auf, doch der verdammte Henker reagierte sagenhaft schnell.
Er tauchte zur Seite. Wie ein Blitzstrahl war er aus der Schußrichtung gewichen und schlug gleichzeitig mit seinem mörderischen Beil zu.
Die Kugel traf ihn trotzdem. Sie jagte in seine Schulter, stanzte dort ein Loch und fuhr an der anderen Seite wieder heraus. Sonst war keine Reaktion zu sehen.
Zu einem zweiten Schuß kam ich nicht mehr.
Dicht vor meinen Augen sah ich die Klinge, und mit einem raubtierhaften Satz hechtete ich zurück.
Das Beil verfehlte mich, hackte vor mir in den Grasboden. Bis zum Heft steckte es darin.
Mit einem Schrei auf den Lippen riß der Henker das Beil wieder hervor.
Ich war durch den Schwung der raschen Bewegung ausgerutscht, feuerte jedoch im Liegen.
Zwei Silberkugeln jagte ich in den Körper der Bestie. Sie durchlöcherten sie in Brusthöhe, doch eine Reaktion zeigte sich nicht. Im Gegenteil, die Bestie regenerierte. Wo die Kugeln die höllische Materie zerstört hatte, wuchs sofort neue nach.
Der Henker war unverwundbar. Ich konnte ihn nicht mit dieser Waffe schlagen. Er aber sah seine Chance, Moro griff an.
Er kam wie ein Tier. Geschmeidig waren seine Bewegungen. Eine perfekte Mischung aus durchtrainierter Muskulatur und Gelenkigkeit. Trotz seiner Körpergröße schoß er geschmeidig auf mich zu. Dabei hielt er den rechten Arm ausgestreckt; das Beil schwang er wie ein Schutzschild vor sich.
Durch rasches Zurückspringen konnte ich dem ersten Angriff ausweichen. Die Klinge zerschnitt nur die Luft.
Dann sah der Henker den am Boden liegenden Jack Cromwell. Ich merkte es daran, wie sein skelettierter Schädel herumruckte. Obwohl er keine Augen besaß, registrierte er alles, was um ihn herum vorging.
Er sprang auf den wehrlosen Jack Cromwell zu. Den rechten Arm hielt er jetzt angewinkelt. Im nächsten Augenblick würde er auch dem jungen Mann den Kopf abschlagen.
Ich setzte alles auf eine Karte.
Meine Muskeln explodierten förmlich, als ich ihn von der Seite her ansprang. Mit meinem gesamten Gewicht prallte ich gegen ihn. Die Fäuste bohrten sich in seine Hüfte. Einhundertachtzig Pfund Lebendgewicht warfen den Henker aus der Bahn. Die Axt verfehlte Jack Cromwells Kopf um eine Handbreite.
Ich war über den Henker hinweggestürzt, rollte mich auf der rechten Schulter ab und trat noch im Liegen.
Ich traf ihn an der Schulter.
Doch er zeigte keine Reaktion. Unter der Kapuze hervor drang nur ein häßliches Grollen, dann wirbelte er herum. Die Axt hatte er dabei noch nicht aus dem Boden gerissen.
Ich zielte auf den Stiel… schoß!
Zu überhastet gefeuert. Die Kugel ritzte nur Holz aus dem Stiel des Beils.
Dann riß der Henker seine mörderische Waffe aus dem Boden. Im gleichen Moment begann Jack Cromwell zu schreien. Er sprang plötzlich auf und rannte in wilder Panik davon.
Das Beste, was er machen konnte.
Aber auch der Henker ergriff die Flucht. Ehe ich mich versah, machte er auf dem Absatz kehrt, hetzte auf die Bäume zu und brach wie ein wütender Elefant durch das Unterholz.
Ich rannte hinterher. Doch der verdammte Henker hatte
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