0014 - Der schwarze Henker
mit den Rileys. Der Name müßte auch in den alten Chroniken auftauchen, wie mir der Konstabler berichtete.«
Mrs. O’Caseys Kopf ruckte hoch. »Sie haben recht, Sir. An ihn habe ich gar nicht gedacht. Flint Riley ist aber damals umgekommen, soviel ich weiß. Ein Blitzstrahl hat ihn getroffen, nachdem der Henker in das Grab gelegt worden ist.«
»Hatte Riley Nachkommen?«
»Ja. Mehrere Kinder sogar.«
»Und die Rileys leben noch hier?«
»Natürlich. Das heißt, nur noch der alte Riley. Seine beiden Söhne sind in die Stadt abgewandert. Riley selbst ist ein Einzelgänger. Er hat sich abgekapselt.«
»Wovon lebt er?«
»Er bekommt eine Kriegsrente. Die reicht gerade, um sich über Wasser zu halten. Nach dem Tod seiner Frau war mit ihm nichts mehr los. Er kommt kaum aus seinem Haus heraus. Will mit keinem etwas zu tun haben.« Mrs. O’Casey holte ein Taschentuch aus der Kittelschürze und schneuzte sich die Nase. »Aber Sie glauben doch nicht im Ernst, daß Riley?«
»Ich muß jeder Spur nachgehen, Madam…«
Sie nickte. »Aber das wäre ja… ungeheuerlich wäre das. Nein, das kann ich nicht glauben.«
Ich erhob mich. »Vielen Dank für Ihre Hilfe, Mrs. O’Casey. Sie haben mir wirklich ein schönes Stück weiter geholfen. Und bitte, seien Sie vorsichtig.«
»Sie rechnen damit, daß der Henker auch zu uns kommt?«
»Ich rechne damit, daß er die nächste Nacht nicht übersteht. Ich werde ihn stellen.«
»Wir haben überall Kreuze aufgehängt, Wir werden heute Abend auch die Zimmer mit Weihwasser besprenkeln. Das wird ihn abschrecken. Ich rede noch einmal mit dem Pfarrer…«
Ich beschloß, ihr die Wahrheit zu sagen. »Das geht nicht mehr, Mrs. O’Casey.«
»Wie meinen sie das?«
»Der Pfarrer ist tot. Man hat ihn ermordet.«
»Nein!« Mrs. O’Casey wankte zurück. Plötzlich wich alle Farbe aus ihrem Gesicht. Unnatürlich groß wurden die Augen. Sie begann zu zittern, und fiel zurück auf den Stuhl.
»Es tut mir leid«, sagte ich, »aber Sie hätten es sowieso erfahren. Warten Sie, ich hole Ihnen ein Glas Wasser.«
Sie nickte geistesabwesend.
Als ich in das Zimmer zurückkehrte, weinte sie. Ich reichte ihr das Glas. Mit zitternden Fingern nahm sie es entgegen.
Ich blieb noch einige Minuten bei ihr. Sie rief auch ihren Mann an und bat ihn, nach Hause zu kommen.
Dann verabschiedete ich mich endgültig. Draußen saugte ich die kälter gewordene Luft in die Lungen. Wir hatten Ende März. Am Himmel türmten sich dicke, graue Wolken. Es roch nach Schnee. Von den Bergen her fiel ein steifer Nordwestwind in den Ort ein. Ich stellte meinen Mantelkragen hoch.
Der Name Riley schien mir eine heiße Spur zu sein. Er lebte allein, seine Vorfahren hatten sich damals gegen den Henker gestellt. Einer war umgekommen. Stellte sich nur die Frage, welchen Grund Riley haben konnte, dem schwarzen Henker zu helfen?
Ich würde es bald erfahren.
Leider mußte ich meinen Besuch noch aufschieben, denn Konstabler Archer stoppte mit seinem Streifenwagen neben mir. Er beugte sich aus dem Seitenfester. »Ich habe Sie überall gesucht, Sir!«
»Was gibt es denn?«
»Inspektor Harris von der Mordkommission möchte Sie sprechen. Er sagt, es sei dringend.«
Ich dachte nach. Von dem Verdacht gegen Riley wußten nur Mrs. O’Casey und ich. Die Frau würde sich hüten, den Mann zu warnen. Folglich konnte ich mir mit einem Besuch bei ihm noch etwas Zeit lassen. Er lief mir nicht weg.
Der Konstabler öffnete die Tür. »Steigen Sie ein, Sir«, sagte er.
Ich tat ihm den Gefallen. Und das war einer meiner größten Fehler.
***
Glenda Perkins musterte kritisch den Rock mit dem Schottenmuster. Mit beiden Händen hielt sie ihn hoch.
»Ein ausgezeichneter Stoff«, sagte die junge sommersprossige Verkäuferin. »Sie werden begeistert sein, Miß.«
Glenda runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht recht. Und über den Preis bin ich auch nicht begeistert.«
»Aber das ist eine ausgezeichnete Qualität. Nicht das, was Sie in den billigen Läden bekommen. Hier ist noch alles echt. Reine Wolle. Wir geben uns Mühe.«
Die Verkäuferin versuchte, Glenda die Vorzüge des Rocks schmackhaft zu machen. Meine Sekretärin befand sich in einem kleinen Geschäft, das ausschließlich Damenmode verkaufte. Und diese speziell auf die Landschaft zugeschnitten Röcke und Pullover aus dickem, guten Material, feste Mäntel sowie Kopftücher und Schals. »Ich ziehe ihn mal über«, sagte Glenda Perkins schließlich.
»Sehr gern, Miß.«
Die
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