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0015 - Ich starb um elf Uhr zwanzig

0015 - Ich starb um elf Uhr zwanzig

Titel: 0015 - Ich starb um elf Uhr zwanzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Werner Höber
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wollen Sie denn von mir?«
    Ich beugte mich übers Treppengeländer. Unten war niemand zu sehen.
    »Wir kommen vom FBI«, sagte ich etwas leiser.
    Eine Sidjerheitskette klirrte, und die Tür ging weiter auf, bis wir ein altes Mütterchen erkennen konnten. Sie schien an die siebzig Jahre alt zu sein und hatte schneeweißes Haar. Ihr schwarzes Kleid war makellos sauber, und aus der Wohnung roch es nur nach Seife und Sauberkeit. Na, dem Himmel sei Dank, daß sich meine Befürchtung in dieser Hinsicht nicht erfüllt hatte. Wir haben schon manchmal in Buden gesessen, wo man nicht zu atmen wagte, weil man fürchten mußte, vom Gestank der Unsauberkeit ohnmächtig zu werden.
    »Bitte, meine Herren, kommen Sie doch herein. Das heißt, dürfte ich erst einmal Ihre Ausweise sehen? Man muß heutzutage vorsichtig sein.«
    Wir gaben ihr recht und hielten ihr unsere Ausweise hin. Sie prüfte sie, indem sie sie weit von den alterssichtigen Augen weghielt und reichte sie uns dann zurück. Wir folgten ihr in ein kleines Wohnzimmer, das so sauber eingerichtet war, daß man sich darin wohi fühlen konnte, wenn man nicht gerade ein Feind von Plüschmöbeln war.
    Die alte Dame bot uns zwei unbequeme Sessel an, während sie sich selbst auf ein rotes Plüschsofa setzte. In einer Ecke entdeckte ich eine verblichene Fotografie des Mannes, den ich am Vorabend mit einer Maschinenpistole hatte töten müssen. Ich kann nicht sagen, daß ich mich wohl gefühlt hätte bei dem Gedanken, jetzt vor seiner Mutter zu sitzen.
    »Es ist sicher wegen Harry, nicht wahr?« begann die alte Frau.
    Ich nickte:
    »Ja, es handelt sich um Ihren Sohn Harry. Ich weiß nicht, ob man Ihnen schon mitgeteilt hat, daß er —«
    Verflucht, sagen Sie mal so etwas zu einer Mutter.
    »Doch, ja, ich weiß«, nickte die alte Frau bedächtig. »Ich wußte, daß es einmal so kommen würde. Ich habe es ihm immer wieder gesagt. Aber die Kinder hören doch nicht mehr auf das, was ihnen eine Mutter sagt. Vielleicht war es auch meine Schuld. Seit mein Mann tot ist, habe ich mich nie so richtig Harry gegenüber durchsetzen können.«
    »Ihr Mann hatte einen Berufsunfall?« mischte sich Phil ein.
    »Ja. Er war Sprengmeister in einem großen Steinbruch. Dabei ist er umgekommen. Ich weiß die Einzelheiten nicht so genau. Ich will sie auch gar nicht wissen. Mein Mann wird davon auch nicht wieder lebendig.«
    Wir schwiegen einen Augenblick. Manchmal fragt man sich wirklich, warum so viel Leid in dieser Welt sein muß. Da saß nun eine alte Frau vor uns, die ihr Leben lang sicher nichts anderes hatte als Arbeit und Sorge. Und nun noch die Geschichte mit ihrem Jungen. Ach, ich wollte manchmal, ich wäre Dorfschullehrer geworden statt G-man.
    »Bei welcher Firma war Ihr Mann denn beschäftigt?« nahm ich den Faden behutsam wieder auf.
    »Bei der Western Stone Company.«
    Oha, den Laden kannte ich. Wenigstens dem Namen nach. Es war eine der großen Gesellschaften, die sich praktisch mit allen Arten von Stein- und Bergwerksarbeiten befassen. Sie unterhalten Nickel- und Zinn- und tausenderlei andere Gruben in den Gebirgen, sie bauen riesige Tunnel für die Eisenbahngesellschaften, wühlen Steinbrüche aller Arten aus und was es sonst noch in dieser Art gibt.
    »Wie lange ist Ihr Mann denn schon tot?« erkundigte ich mich.
    »Fünf Jahre werden es im nächsten Monat.«
    Wir unterhielten uns noch eine Weile mit der alten Frau. Viel konnten wir von ihr nicht erfahren. Es war die alte Geschichte. Der Junge war ganz vernünftig gewesen, bis er aus dem Krieg zurückgekommen war. Das Soldatendasein aber hatte ihn ein wenig verwildert. Er konnte sich an keine geregelte Arbeit mehr gewöhnen und streunte einfach herum. Schließlich war er wohl in die falsche Gesellschaft geraten, denn plötzlich begann die Liste seiner Vorstrafen: zuerst kleine Betrügereien, dann kleinere Einbrüche und schließlich sogar Teilnahme an einem Bandenverbrechen. Die dauernden Vorwürfe seiner Mutter hatten nichts genützt. Er war ausgezogen und hatte sich ein Zimmer genommen. Die Mutter gab uns die Adresse. Seit dieser Zeit war er nur noch sehr selten zu ihr gekommen. Und dann war er meistens betrunken gewesen. Er hatte ihr manchmal kleinere Geschenke mitgebracht. Auch Geld hatte er ihr ein paarmal angeboten, aber die standhafte alte Dame witterte mit dem Instinkt der Mutter die unsaubere Herkunft der Dollars und lehnte die Annahme jedesmal ab.
    Das wußten wir, als wir wieder in unserem Wagen saßen. Mittlerweile war cs

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