0016 - In den Klauen der Vampire
nichts übrig, als sich ebenfalls eins der unvermeidlichen Requisiten über den Kopf streifen zu lassen. Das hübsche braunhäutige Mädchen, das das besorgte, nannte ihm im Flüsterton ihren Namen und forderte ihn auf, sie in einem bestimmten Nachtklub zu besuchen, und die Tatsache, daß es sich offenbar um eine Prostituierte handelte, nahm der Angelegenheit auch noch den letzten Rest von Romantik.
Nicole schlug vor, zunächst einmal eine Tasse Kaffee im Flughafenrestaurant zu trinken. Um dorthin zu gelangen, mußten sie an einem Zeitungskiosk vorbei – und bei dieser Gelegenheit sprang Zamorra die balkendicke Überschrift in die Augen.
Massenmord bei Sexparty!
Vier Leichen auf der Todesjacht!
Und als Unterzeile: Gräßliches Verbrechen gibt Rätsel auf – Polizei machtlos!
Zamorra blieb stehen.
Ihm war, als sei er von einem Stromstoß getroffen worden. In Wellen rann prickelnde Kälte über seine Haut. Da war es wieder! Das Gefühl der Bedrohung, der Gefahr, des heraufziehenden Unheils!
Zamorra preßte die Lippen zusammen und zwang sich zu einem Lächeln, als er Nicoles forschenden Seitenblick spürte.
»Moment, bitte. Ich will mir nur ein paar Zeitungen kaufen.« Er ging zu dem Kiosk hinüber und ließ sich sämtliche Tageszeitungen geben, da er annahm, daß sie alle über den Fall berichteten. Dabei bemühte er sich, die wachsende Erregung zu unterdrücken. Mit dem Zeitungsstapel unter dem Arm kehrte er zu Nicole zurück, versuchte, möglichst unbeteiligt auszusehen – doch sie ließ sich nicht täuschen, da sie die Schlagzeilen ebenfalls gelesen hatte.
»Chef«, sagte sie vorwurfsvoll. »Wir machen Urlaub.«
»Und im Urlaub darf man keine Zeitungen lesen?« fragte er unschuldig.
Die Goldtupfen in Nicoles Augen sprühten wie die Funken eines Feuers. »Erzählen Sie keine Opern, Chef!« Sie war ehrlich verärgert, und in diesem Zustand drückte sie sich manchmal nicht ganz ladylike aus. »Sie interessieren sich ja doch nur für diese verdammten Gruselgeschichten. Mon Dieu, jedesmal wenn irgend ein Skandalblättchen im Zusammenhang mit einem Verbrechen Aberglauben, Legenden und Spinnereien ins Spiel bringt, werden Sie so aktiv wie…«
Er lächelte harmlos. Er wußte, daß dieses Lächeln Nicole stets aus der Fassung brachte, und er fand sie besonders hübsch, wenn sie zornig wurde.
»Sie geben also zu, daß man sehr wohl ein Gespür für die unheimlichen Aspekte irgendwelcher Geschehnisse haben kann?« stellte er fest.
»Zugeben? Ich? Wieso denn, ich…«
»Weil Sie gerade unterstellt haben, daß ich dieses Gespür besitze«, sagte er sanft. »Mit Legenden, Aberglauben und Spinnerei meinen Sie doch erfahrungsgemäß alle übernatürlichen Dinge. Und von übernatürlichen Aspekten dieses Massenmordes ist in den Schlagzeilen nun wirklich nicht die Rede.«
Nicole schwieg. Über ihrer Nasenwurzel erschien die charakteristische V-förmige Falte. Sie mußte einen Moment überlegen, bis sie die passende Antwort fand.
»Ist es doch!« beharrte sie. »Da steht: ›Gräßliches Verbrechen gibt Rätsel auf.‹ Und Rätsel…«
»Jeder Mordfall gibt Rätsel auf, solange er noch nicht gelöst ist. Aber kommen Sie, Nicole – lassen Sie uns zunächst einmal unseren Kaffee trinken. Dann können wir in Ruhe nachlesen, was hinter den Überschriften steckt.«
Nicole nickte nur.
Gemeinsam betraten sie das Flughafenrestaurant, suchten sich einen freien Tisch in einer Nische und bestellten Kaffee. Zamorra wurde bewußt, daß er immer noch den Blumenkranz um den Hals trug. Ein Blick in die Runde zeigte ihm, daß das offenbar so Brauch war – also ließ er das bunte Ding, wo es war, weil das ohnehin die bequemste Transportmöglichkeit darstellte.
Sie teilten sich die Zeitungen.
Jeder bekam zwei Exemplare, dann tauschten sie aus. In den Artikeln wurden die Ereignisse aufgebauscht, so sensationell und blutrünstig wie möglich geschildert – aber die echten Informationen waren spärlich. Ein einziges seriöses Blatt beschränkte sich streng auf Fakten. Demnach waren vier Leichen auf einer Privat-Jacht gefunden worden: der Chicagoer Millionär John Frobish, dem das Boot auch gehörte, der seit Jahren in Oahu ansässige Nichtstuer Jonny Carlile und zwei New Yorker Urlauberinnen namens Cynthia Faith und Liz Bonnet. Der Fischer, der das Verbrechen entdeckt hatte, stand unter Schock und lag streng abgeschirmt im Krankenhaus.
Über die genauen Todesursachen hüllte sich die Polizei in auffälliges Schweigen. Die
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