0016 - In den Klauen der Vampire
geduckt da, mit gespannten Muskeln, er sah sich um – und erkannte die Situation mit einem einzigen Blick.
Kitty kauerte auf dem Bett, stöhnend vor Grauen.
Knapp vor ihr flatterte eine Fledermaus durch die Luft – ein ungewöhnlich großes Tier mit spitzen Ohren, graubraunem Fell, weitgespannten Flughäuten. Für einen Moment schrak auch Bill zusammen, zu überraschend, zu unerwartet war der Anblick – doch dann schüttelte er den Kopf über sich selbst, wandte sich um und griff kurzerhand nach einem von Kittys Sandalen, um das Tier zu vertreiben.
»Ab!« zischte er. »Verschwinde, du Vieh, sonst…«
Das Tier flatterte auf.
Ein eigentümlich fauchendes Pfeifen kam aus dem Maul mit den spitzen, nadelscharfen Zähnen. Schwarze Knopfaugen funkelten, für einen Moment hatte Bill fast das Gefühl, daß die Augen ihn haßerfüllt anstarrten – doch er wußte nur zu gut, daß Fledermäuse blind sind.
Er machte einen Schritt und holte mit dem Schuh aus. Das Tier wich zur Seite.
Mit einem kreischenden Laut flatterte es weg, dem Fenster zu – und Sekunden später war es in der Dunkelheit verschwunden.
Bill atmete auf und stellte Kittys Sandale wieder an ihren Platz. Er sah sich nach dem Insektengitter um, fand es vor dem Fenster und setzte es rasch wieder in die Öffnung. Dann wandte er sich dem Bett zu und lächelte beruhigend.
Kitty hatte die Arme sinken lassen.
Sie kauerte an der Wand, das Laken um die Schultern gezogen, als friere sie. Ihr Gesicht wirkte blaß und erschöpft, und die hellen Augen flackerten.
»Was – was war das, Bill?« fragte sie mit bebender Stimme.
»Eine Fledermaus, Kitty – kein Grund zur Aufregung.« Er kam zu ihr herüber, setzte sich auf den Bettrand und drückte beruhigend ihren Arm. »Das Vieh muß von außen das Insektengitter herausgesto- ßen haben. Es hat dich geweckt, und du bist erschrocken, das war alles.«
Kitty schauerte leicht.
»Ich – ich weiß nicht«, murmelte sie. »Ich glaube, ich habe geträumt. Mir war, als…«
»Ja?«
Sie zuckte die Achseln. »Nichts, Bill. Ich kann mich nicht mehr erinnern. Es muß ein Traum gewesen sein – irgendein verrückter Alptraum.«
Er nickte verstehend.
»Glaubst du, daß du jetzt schlafen kannst?« fragte er sanft.
»Ja, sicher. Ich bin müde, sehr müde. Mach dir um mich keine Sorgen.«
Er zögerte noch. Seine Hand streichelte Kittys Arm. »Wenn du irgend etwas brauchst…«
»Nein, wirklich nicht.« Sie lächelte ihn an. Immer noch spürte sie das innerliche Zittern, und sie wußte selbst nicht, warum sie ihn nicht bat zu bleiben. »Ich möchte jetzt schlafen. Gute Nacht, Bill.«
»Gute Nacht, Kitty.«
Er drückte ihren Arm, dann stand er auf und wandte sich zum Gehen. Kitty sah ihm nach, bis die Verbindungstür zum Nebenzimmer hinter ihm zufiel.
Sie schloß die Augen, öffnete sie wieder. Erst jetzt ließ sie das Laken von den Schultern gleiten, das sie bis zum Kinn hochgezogen hatte. Da war immer noch ein leiser Schmerz an ihrem Hals. Stirnrunzelnd stand sie auf, durchquerte auf nackten Füßen das Zimmer und blieb vor dem Spiegel stehen.
Zuerst konnte sie nichts erkennen.
Dann, als sie den Kopf drehte, sah sie die beiden Male an ihrer Kehle. Winzige rote Flecken, an denen Blutstropfen hingen. Male wie… Wie Bißwunden, dachte Kitty erschrocken. Bisse von kleinen scharfen Zähnen. Sie preßte die Lippen zusammen, kämpfte gegen das Zittern an, das sie wieder zu erfassen drohte, und blickte unwillkürlich zu der Tür hinüber, hinter der sie Bill wußte.
Aber irgend etwas hinderte sie daran, ihn zu rufen oder hinüberzugehen.
Sie dachte nach.
Diese Fledermaus… Hatte das Tier sie gebissen? Manche Fledermausarten saugen Blut, fiel ihr ein. Auch das Blut von Menschen?
Sie schauerte, starrte auf das Mal an ihrem Hals, und für einen Moment verwirrten sich ihre Gedanken.
Sie dachte an den Traum, der sie gequält hatte. Jetzt standen ihr wieder die Einzelheiten vor Augen. Da war eine Stimme gewesen.
Jemand hatte sie gerufen, hatte versucht, sie in die Nacht hinauszulocken und… Diese Augen!
Seltsame gelbe Tieraugen! Ob sie noch draußen waren – irgendwo?
Kitty wandte sich um.
Auf rätselhafte Weise schien die Furcht von ihr abzufallen wie ein Mantel, als sie das Zimmer durchquerte und zum Fenster trat. Mit wenigen Griffen löste sie das Insektengitter und stellte es neben sich auf den Boden.
Mondlicht flutete herein.
Das Fenster war dem Wasser abgewandt, blickte auf die sanft ansteigende
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