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0016 - In den Klauen der Vampire

0016 - In den Klauen der Vampire

Titel: 0016 - In den Klauen der Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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Angestellte durchquerte schweigend den Raum, zog erneut die vier Schubfächer heraus und schlug die Laken zur Seite. Immer noch schweigend, trat er zurück – und Zamorra atmete tief und näherte sich der ersten Bahre.
    Langsam ging er an den vier Schubfächern vorbei.
    Vor jedem einzelnen blieb er kurz stehen.
    Und vor jedem hob er die Hand, berührte mit dem Amulett die Metallklappe und schlug hastig das Zeichen des Kreuzes.
    Der hagere Angestellte hatte nichts gesehen. Er warf Zamorra nur einen fragenden Blick zu. Der Professor hob die Achseln und schüttelte den Kopf.
    »Ich habe mich geirrt«, sagte er. »Ich glaubte, den jungen Mann von irgendwoher zu kennen, aber das war wohl eine Verwechslung. Trotzdem vielen Dank. Sie haben mir sehr geholfen.«
    Ein paar Minuten später stand er wieder draußen.
    Die Hand mit dem Amulett hatte er in die Tasche geschoben. Sehr langsam ging er durch die Hofeinfahrt zurück auf die Straße, und seine Gedanken arbeiteten fieberhaft.
    Die vier Menschen in den Kühlfächern des Leichenschauhauses waren nicht wirklich tot, das wußte er.
    Sie waren einem Vampir zum Opfer gefallen – und mußten selbst zu Vampiren werden. Vier Untote! Vier Monster, die nur die Tage in todesähnlicher Starre verbrachten, die in der Nacht erwachen würden, ausbrechen, von der Gier nach frischem Blut umhergetrieben.
    Zamorra hatte ihre Gefängnisse versiegelt. Für den Augenblick wenigstens. Er kannte die Wirkung des Amuletts noch nicht genau genug, er wußte nicht, wie lange der Bann anhielt – und vor allem wußte er nicht, was geschehen würde, wenn jemand auf die Idee kam, die Fächer noch einmal zu öffnen.
    Mitten in Honolulu, mitten in diesem bunten, fröhlichen Ferienparadies, lauerte eine gräßliche Gefahr. Und Professor Zamorra wußte, daß er der einzige war, der dieser Gefahr begegnen konnte.
    ***
    Kitty Silver und Bill Fleming verbrachten einen herrlichen, unbeschwerten Ferientag.
    Das Sonnenlicht vertrieb die Gespenster der Nacht. Kitty konnte jetzt über sich selbst lachen, verstand nicht mehr, wie ihr eine simple Fledermaus einen solchen Schrecken hatte einjagen können. Die beiden winzigen Male an ihrem Hals waren völlig verschwunden – und sie begann zu glauben, daß sie sich diese Spuren nur eingebildet hatte.
    Sie verbrachte einen geruhsamen Morgen mit Bill am Strand. Noch fühlte sie sich ein wenig schwach, doch Sonne, Wind, Wasser und Ruhe brachten es fertig, daß sie sich rasch erholte. Nachmittags fuhren sie mit dem Boot zum Angeln hinaus. In der Dämmerung brieten sie ihre Beute am Strand über einem offenen Holzfeuer, und erst ziemlich spät kehrten sie müde und zufrieden in den Bungalow zurück.
    An diesem Abend trennten sie sich nicht mehr.
    Wie selbstverständlich blieb Kitty in Bills Zimmer. Sie waren glücklich, genossen das Beisammensein. Für eine Weile vergaßen sie ihre Umgebung, schien die Welt um sie zu versinken, und später schlief Kitty friedlich und entspannt in Bills Armen.
    Es ging auf Mitternacht, als sie erwachte.
    Sie wußte nicht, was sie geweckt hatte. Eine eigentümliche Unruhe wuchs in ihr. Vorsichtig drehte sie den Kopf, blickte zum Fenster, wo die feinen Maschen des Insektengitters schimmerten, und spürte das einfallende Mondlicht fast wie eine körperliche Berührung.
    Sie mußte hinaus!
    Sie wußte nicht, warum – sie wußte nur, daß sie sich mit jeder Faser danach sehnte. Ein Spaziergang durch die Dunkelheit! Diese Nächte waren so schön, so seltsam… Sie dachte an die warme, duftende Finsternis, an die Sterne, an den silbernen Schleier des Mondlichts und die dunklen Rufe der Nachtvögel, und der Wunsch, das alles zu sehen, zu erleben, erschien ihr plötzlich als die selbstverständlichste Sache der Welt.
    Sie richtete sich auf.
    Vorsichtig glitt sie aus dem Bett und griff nach ihrem Bademantel.
    Bill bewegte sich im Schlaf, murmelte etwas – doch er sank sofort wieder zurück, ohne richtig aufzuwachen.
    Kitty verließ auf Zehenspitzen den Raum. Sie erreichte die winzige Diele, durchquerte sie. Mit leisem Knarren schwang die Haustür auf – und das schien den Weg in eine fremde, verwandelte Welt zu öffnen.
    Sekundenlang blieb Kitty stehen und atmete tief. Vor ihr leuchtete der sanfte Bogen des Strandes in fahlem Weiß, das schwarze Wasser spiegelte glitzernd die Sternbilder. Palmwedel raschelten im Wind, und das Mädchen hob den Kopf und sah hinauf zu den schwankenden Wipfeln. Ihr Blick glitt weiter, über das Gefieder der Palmen hin

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