0017 - Das Dämonenauge
König Salomons. Es war faszinierend für einen jungen Menschen wie mich, diese doch so fremde Welt kennenzulernen, ihre Geheimnisse zu ergründen und sie auszuloten. Der Einsiedler brachte mir alles bei, vor allen Dingen Lebensweisheit. Dann, urplötzlich, starb er. Ich stand allein, war gerade siebzehn Jahre geworden. Meine leiblichen Eltern waren auch gestorben. Ich hatte niemand, kannte niemand und mußte mich nun so durchschlagen. Und doch besaß ich etwas, was mehr wert war als alles Geld dieser Welt. Das war mein Wissen. Ich verließ Mykonos, nahm die Schriften und Bücher des Einsiedlers mit und ging nach Athen. Ich hatte inzwischen soviel Wissen, daß es mir ohne Mühe gelang, eine Universität zu besuchen. Dort studierte ich Geschichte, Philosophie und Psychologie. Wir hatten einen alten Professor, der sich bereits damals mit dem heute so umstrittenen Gebiet der Parapsychologie beschäftigte. Ich wurde sein gelehrigster Schüler und zog ihn schon bald in mein Vertrauen. Ich erzählte ihm meine bisherige Lebensgeschichte. Der Mann war begeistert. Wir begannen gemeinsam zu forschen und vollzogen die uralten Rituale und Beschwörungen nach. Ich erinnere mich noch genau, wie wir mit Hilfe eines jungen Mediums den Geist eines längst Verstorbenen beschworen. Dieser Vorgang brachte einen großen Einschnitt in mein Leben. Die Magie ließ mich nicht mehr los. Ich lernte magische Zeichen und Formeln, beschäftigte mich intensiv mit diesem Gebiet und reifte bald zu einem Könner heran.«
Kiriakis hustete. Schweiß sammelte sich auf seiner Stirn. Besorgt sahen Jane und ich uns an. Der Grieche bemerkte den Blick. Ein schmales Lächeln umspielte seine Lippen. »Keine Angst, ich widerstehe dem Tod noch. Erst muß ich meine Geschichte loswerden.«
Ich nickte. »Ja, Kiriakis, berichte weiter.«
»Bei jeder Beschwörung war auch das Medium zugegen. Ich bekam Kontakt mit dem Geisterreich, konnte Verstorbene sprechen und hatte aber auch Einblick in eine grausame, furchtbare Welt. In die Welt der Dämonen und bösen Mächte. Ich sah in das Reich zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, wo das Grauen wohnt und sich alle Schrecken vereinigt hatten. Es war schlimm, was ich dort zu sehen bekam, und manchmal stockte mir sogar der Atem. Aber ich lernte hinzu, und es gelang mir, das Böse zu beherrschen. Als ich fünfundzwanzig Jahre alt war, starb der Professor. Das Medium und ich standen allein da. Wir heirateten und waren in den ersten Jahren überglücklich. An die Magie dachten wir nicht mehr, wir hatten andere Dinge im Kopf.«
Kiriakis lächelte, und wir alle wußten, was er mit den anderen Dingen meinte. Suko hatte sich inzwischen zu uns gesellt und hörte ebenfalls gespannt zu.
»Dann wurde unsere Tochter geboren. Wir gaben ihr den Namen Elena. Sie war ein wunderschönes Mädchen mit langen roten Haaren und unser ganzer Stolz. Elena wuchs heran. Als sie fünf war, kam unser Sohn auf die Welt. Azarin, ihr kennt ihn ja. Aber ich will von Elena erzählen. Wir sorgten dafür, daß sie ganz normal aufwuchs, daß das Wort Magie für sie ein Fremdwort blieb. Sie wußte nichts von unseren Experimenten und wurde erst damit konfrontiert, als sie achtzehn Jahre alt war. Da schlugen die Mächte der Finsternis grausam zurück. Sie verziehen es nicht, daß wir uns gegen sie gestellt hatten. Sie nahmen grausame Rache. Eines Nachts tauchte ein Vampir in ihrem Zimmer auf und entführte Elena. Ich wurde zu spät wach und sah ihn nur noch als riesige Fledermaus, mit Elena in den Krallen, davonfliegen. Er hat sie zum Vampir gemacht. Seit der Stunde habe ich nie mehr mit meiner Tochter gesprochen, ich weiß jedoch, daß sie noch lebt. Ich habe sie gesehen. Und zwar bei einer Beschwörung. Wir wollten wissen, was mit ihr geschehen war, nahmen mit den Mächten der Finsternis Kontakt auf und sahen plötzlich das Dämonenauge. Es schwebte im Raum, und wir konnten hineinschauen wie auf eine Leinwand. Ich sah Elena. Sie lebte inmitten zahlreicher Frauen, fühlte sich glücklich und war zu einem ausgewachsenen weiblichen Vampir geworden. Sie wohnte in einer alten Mühle. Dort lockte sie ihre Opfer hin, um ihnen das Blut auszusaugen.«
Ich hörte Jane Collins hastig atmen. »Die Mühle«, flüsterte sie, »ich habe sie gesehen. Mein Gott…«
»Und deshalb tut mir einen Gefallen, Freunde«, sagte der Grieche. »Findet die Mühle und findet Elena. Ich bitte euch darum. Befreit sie von ihrem unseligen Fluch, tötet sie, damit auch sie ihren Frieden
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