0017 - Ich gab ihm eine Chance
gestern abend. Er sah mich neugierig an.
»Der Chef möchte in der nächsten Stunde unter keinen Umständen gestört werden«, sagte ich und ging an ihm vorbei zu der offenstehenden Tür hinaus.
Er starrte mir so verdutzt hinterher, daß ich seine Blicke in meinem Rücken fühlte, aber ich kümmerte mich nicht darum. Ich lief die paar Schritte bis zu Robbys Haus, die Stufen zur Haustür hinan und klingelte Sturm.
Erst nach einer halben Ewigkeit machte Robby auf. Er war im Schlafanzug und bekam kaum die Augen auseinander.
»Jerry«, schrie er. »Gott sei Dank! Die ganze Stadt hat man schon nach dir abgesucht! Komm rein, altes Haus! Was war denn los? Wie siehst du denn aus?«
»Immer hübsch der Reihe nach. Im Augenblick interessiert wohl eins am meisten: Ich weiß, wer Allan erschossen hat!«
Robby wurde blaß.
»Im Ernst?« fragte er. »Bring mir den Kerl, Jerry! Bring ihn hierher! Du weißt, Allan war mein Freund. Bring diesen Schurken hierher, der Allan umgebracht hat! Los, sage ich!«
Er war wie von Sinnen.
Und dabei hatte ich gelogen. Ich wußte genausowenig wie gestern abend, wer Allan ermordet haben sollte. Aber ich hatte meinen Plan, und ich begann jetzt, ihn systematisch in die Tat umzusetzen.
***
Wir waren ins Badezimmer gegangen, und während ich das heiße Wasser einließ, rief Robby den besorgten Phil an und verständigte ihn von meiner Rückkehr. Außerdem sagte er ihm, daß er sich ein Taxi nehmen und mir trockenes Zeug bringen sollte.
Ich zog Jacke, Hemd und Unterhemd aus und besah mir den Schaden unterhalb von meinem Schlüsselbein. Irgend so ein Verrückter von der Autobande hatte mich mit dem Dolch angegangen, als sie mich überraschten. Zum Glück war die Spitze an der Rippe abgeglitten und hatte nur eine zwar lange, aber an sich ungefährliche Wunde im Brustmuskel verursacht. Trotzdem brannte es ganz schön.
Robby kam zurück und besah sich den Schaden. Dann verschwand er wieder und brachte Verbandszeug mit. »Nach dem Bad«, wehrte ich ab. »Okay. Aber nun leg doch endlich los, Jerry! Wer ist es?«
»Das weiß ich nicht genau«, sagte ich. »Aber einer von der Tankstelle da drüben. Hast du ’ne Zigarette? Meine sind durchnäßt.«
»Sicher. Hier. Da ist Feuer!«
»Danke.«
»Nun red doch schon! Du machst mich verrückt!«
»Ach so, entschuldige. Es muß einer drüben von der Tankstelle gewesen sein.«
Er riß den Mund auf, als wenn er ein Nilpferd verschlingen wollte.
»Einer von der Tankstelle?«
Er fragte es ganz entgeistert.
»Ja. Die Tankstelle ist nämlich in Wirklichkeit ein Hauptquartier für eine bildschöne Bande von Autodieben! Ich habe ihr Wagenlager gesehen! An die vierzig gestohlene Wagen standen herum, was sagst zu dazu?«
»Toll! Ahahaha! Hahaha! Das ist ja zum Totlachen!« prustete er plötzlich heraus.
Ich sah in verwundert an.
»Was ist denn mit dir auf einmal los?«
»Stell dir vor«, schnaufte er, noch immer vom Lachen geschüttelt, »stell dir vor, ich wollte mir in ein paar Wochen von denen einen Schlitten kaufen!«
Na, zugegeben, ein G-man, der ein geklautes Fahrzeug kauft, das ist schon ein Witz für die Zeitungen, aber so erheiternd wie Robby fand ich es nun doch wieder nicht.
***
Nach dem Baden zog ich die frischen Sachen an, die mir Phil unterdes gebracht hatte. Er war ganz neugierig zu erfahren, wo ich die Nacht über gesteckt hatte. Ich vertröstete ihn auf später, weil ich es eilig hatte. Robby rief für uns ein Taxi an, noch während ich mich anzog.
Als wir im Taxi saßen und der Stadt zubrausten, fragte Phil wieder: »Jerry, nun sag doch, wo du heute nacht gewesen bist!«
»Nebenan.«
»Nebenan? Was heißt das?«
»In der Tankstelle.«
»Was hast du denn dort gemacht?«
Ich wandte mich ihm zu und sagte ernst: »Hör zu, Phil. Ich erzähle dir alles, sobald ich ein paar Dinge erfahren habe, die ich jetzt ergründen will. Verschone mich solange, einverstanden?«
»Na, gut«, seufzte er und zog sich schmollend in die Polster zurück. Ich hatte dem Fahrer unser Distriktgebäude als Fahrtziel angegeben und war froh, als der Karren endlich dort hielt.
Wir gingen in unser Office. Es war inzwischen zehn Uhr vormittags geworden. Und Sonntag obendrein. Aber ein wirklicher Sonnentag. .
Auf meinem Schreibtisch lag ein kleines Päckchen mit einem Zettel: Archivakten, vom Chef zurück.
Ich schob es beiseite. Es waren abgeschlossene Akten, die der Chef durchgesehen hatte. Ich brauchte sie nur noch gegenzuzeichnen und ins Archiv
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