0017 - Ich gab ihm eine Chance
Dicke hatte bei der Bande anscheinend mehr zu sagen, denn er konnte seinen Willen durchsetzen. Allerdings bestand er darauf, daß der Stuhl, auf den sie mich gefesselt hatten, nicht auf den kostbaren Teppich gestellt würde. Der Bursche, der mir die Sturzbäder verpaßt hatte, mußte einen Sessel beiseite schieben, den Teppich an der Ecke einrollen und dann gemeinsam mit dem Hageren meinen Stuhl aus dem Bottich heraus und auf das Parkett heben. Als sie das geschafft hatten, schnauften sie von der Anstrengung.
Ich musterte sie mit schwachem Grinsen.
»Ich möchte mit Ihnen sprechen«, sagte der Dicke.
»Schön«, erwiderte ich. »Legen Sie los!«
Dabei sah ich ihm kerzengerade ins Auge.
»Wie heißen Sie?«
Lieber Himmel! Sie hatten mich eine halbe Nacht lang bewußtlos herumliegen gehabt, und sie waren nicht auf den Einfall gekommen, mal in meiner Brieftasche nachzusehen, mit wem sie es zu tun hatten! Soviel Dummheit mußte ja bestraft werden.
»John Rand«, sagte ich.
»Rand?«
»Ja, John Rand.«
»Aha. Also, Mr. Rand, machen wir’s kurz: Was suchten Sie in unserer Werkstatt?«
»Das haben Sie aber vornehm ausgedrückt: Werkstatt!«
»Die Formulierung überlassen Sie mir, ja?«
»Aber natürlich, Dickerchen!«
Das gefiel ihm anscheinend nicht. Er machte einige Bewegungen mit den Fettmassen, die bei ihm ein Gesicht darstellen sollten, bis er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Dann sagte er: »Also, was suchten Sie in der Werkstatt?«
»Was ich gefunden habe.«
»Nämlich?«
»Lauter gestohlene Wagen.«
»Sie irren sich, mein Bester, denn…«
Ich grinste ihm so frech ins Gesicht, daß er schwieg.
»Machen wir uns nichts vor«, sagte ich. »Ich lebe von demselben Geschäft, allerdings auf kleiner Basis.«
»Was?« staunte der Dicke.
»Ja. Sie haben richtig gehört. Deswegen habe ich mich doch heute nacht bei Ihnen umgesehen! Mir sind zwei von meinen Abnehmern abgesprungen. Jetzt sitze ich da und weiß nicht, wo ich mit den Karren hin soll. Acht heiße Kästen stehen noch bei mir rum.«
»Und was wollten Sie hier?«
»Ich hatte so einen kleinen Tip erhalten. Nichts Genaues, aber ich dachte, es kann nicht schaden, wenn ich mich mal vergewissere. Da kam ich dann hierher und wollte nachsehen.«
»Gut, Sie haben nachgesehen. Was nun? Glauben Sie, daß Sie lebend hier wieder rauskommen?«
»Natürlich! Denn Sie werden sich das feine Geschäft nicht entgehen lassen, das Sie mit mir machen könnten.«
Ich hatte ihn richtig eingeschätzt. Er wurde lebhaft.
»Ein Geschäft?« fragte er.
»Glaub ihm doch kein Wort!« fiel der Hagere ein.
»Joe, du bist ruhig!« verwies ihn der Dicke. »Von Geschäften verstehst du nichts! Das ist meine Sache! Welches Geschäft könnten wir miteinander machen?«
»Ich sagte schon, daß ich noch acht Schlitten bei mir stehen habe. Wenn Sie sich mit mir über einen Preis einigen können, dann stelle ich Ihnen meine Leute zur Verfügung. Sie bringen Ihnen jeden Tag mindestens vier Schlitten.«
Der Dicke rechnete mit einem Bleistift auf einem Stück Papier. Nach einer Weile sagte er: »Ich bin interessiert an dem Geschäft. Aber wie soll ich wissen, ob Sie mir nicht etwas vorlügen?« Ich stöhnte.
»Wissen Sie was?« fragte ich. »Wenn Sie mir endlich mal was zu essen anbieten lassen würden, könnte ich mir vorstellen, daß wir über einen gemeinsamen Preis viel schneller einig werden könnten. Über die Sicherheiten, die ich Ihnen stelle, können wir uns auch hinterher unterhalten. Ohne Frühstück soll man keine Geschäfte abschließen.«
»Ich würd’s nicht tun!« bellte der Hagere schon wieder dazwischen.
»Du bist ein Kindskopf!« sagte der Dicke. »Unser Mr. Rand ist ein Geschäftsmann, das siehst du doch! Geschäftsleute lieben alle gutes Essen!«
Er schloß wohl von sich auf die Allgemeinheit. Jedenfalls gab er dem Eimerträger einen Wink, und der Kerl verschwand. Getreu meinem Vorschlag unterhielt ich mich bis zum Eintreffen meiner Mahlzeit nur über allgemeine Dinge in unserem Geschäft. Ich stöhnte, daß die Streifenfahrzeuge der Polizei immer mehr würden, daß man kaum noch sein Auskommen hätte und so fort. Der Dicke stimmte begeistert mit ein. Wenn es gilt zu klagen, sind sich die Geschäftsleute in der ganzen Welt einig.
Der Kerl brachte mir ein Frühstück, von dem Phil und ich drei Tage satt geworden wären. Wahrscheinlich hatte er es mit den Augen seines Chefs gemessen.
»Wie soll ich das ins Mäulchen kriegen?« fragte ich, als
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