0017 - Ich gab ihm eine Chance
der Teller vor mir auf einem Rauchtisch stand.
»Tja, eh«, überlegte der Dicke. »Dann nimm deine Pistole, Joe, und Ben soll ihm die Fesseln abnehmen. Natürlich nur, solange er frühstückt!«
»Ich würde es nicht tun!« sagte der I lagere schon wieder einmal.
»Aber wie soll er sonst frühstücken?« bellte der Dicke wütend. »Willst du ihn etwa füttern wie ein kleines Kind?«
»Ich würde ihm in die Finger beißen«, sagte ich trocken. »Wegen des Magenhakens.«
»Na, siehst du!« nickte der Dicke.
Er schien volles Verständnis für eine einzige Sache zu haben: für den Wunsch zu essen. Mein Glück war, daß er begriff, daß auch andere Leute diesen Wunsch hegen können.
Sie nahmen mir nach einigem Hin und Her die Fesseln ab. Der Gipfel ihrer Unvorsichtigkeit bestand darin, daß sie mir ein Frühstücksbesteck neben meinen Teller gelegt hatten.
Na, ich benahm mich zuerst völlig harmlos. Der Hagere stand keine zwei Schritte vor mir mit der Pistole in der Hand, auf der anderen Seite des Rauchtischchens, das sie vor meinen Stuhl geschoben hatten, damit sie das Frühstück darauf stellen konnten.
Ich aß ungefähr fünfzehn Minuten mit gutem Appetit. Auf einen Wink des Dicken hatte mir der Eimerträger auch noch eine Tasse Kaffee holen müssen, die ich mit Behagen schlürfte. Als ich noch eine Scheibe Brot auf dem Teller liegen hatte, die ich mir schon zurechtgemacht hatte, legte ich los.
Vor mir stand eine Blumenvase aus Kristall. Schön schwer. Mit einem Ruck hatte ich sie in der Hand und schaltete damit den Hageren äus. Da ich fünfzehn Minuten lang harmlos gefrühstückt hatte, war seine Aufmerksamkeit natürlich geringer geworden. Er stieß einen spitzen Schrei aus und ging zu Boden. Der Eimerträger rannte zu ihm hin, statt sich um mich zu kümmern.
Mit dem Frühstücksmesser fuhr ich an den beiden Stuhlbeinen hinab und riß mir die Fesseln an den Fußgelenken durch. Dann hechtete ich vor. Der Dicke war gerade dabei, eine Pistole aus der mittleren Schreibtischlade zu holen.
Ich knallte die Schublade mit einem Fußtritt zu. Er jaulte jämmerlich, und als er seine Hände wieder zum Vorschein brachte, blies er auf seine leicht lädierten Finger.
Ich langte über seine Schultern hinweg in die Schublade und riß ihm die Pistole vor der Nase weg.
Der Eimerträger bückte sich gerade nach der Waffe des Hageren, die ihm vor Schreck entfallen war.
»Laß sie liegen«, warnte ich, »sonst knallt’s!«
Er zog gehorsam die Hände wieder weg.
Ich ging zu ihm, wobei ich die Pistole in die linke Hand nahm. Er ahnte, was ich vorhatte, und fing an zu winseln. Ich ließ mich nicht aufhalten. Als ich noch drei Schritte vor ihm stand und er nicht weiter zurückgehen konnte, weil er schon mit dem Rücken an der Wand stand, sprang ich jäh vor.
Meine Rechte zischte vor und traf genau den Punkt. Er sagte nichts mehr, sondern setzte sich.
Ich drehte mich um. Der Dicke war dabei, sich mit zwei Taschentüchern seine Finger zu umwickeln. Für etwas anderes hatte er kein Interesse.
Aber der Hagere kam gerade schwankend hoch. Okay, auf den hatte ich gewartet. Ich steckte die Pistole ein und stellte mich vor ihn hin.
Sein Blick war noch unsicher, und seine Bewegungen glitten wie die eines Betrunkenen durch die Luft.
»Na, mein Junge?« fragte ich. Er wurde von Sekunde zu Sekunde klarer. Nach einer halben Minute war er voll da. Urplötzlich sprang er mich an. Aber ich hatte ihn keinen Moment aus den Augen gelassen und schickte die Rechte auf die Reise. Er stolperte rückwärts über den Teppich und riß den Dicken mit zu Boden.
Ich trat näher und besah mir die Bescherung. Der Hagere war für die nächste halbe Stunde nicht mehr zu gebrauchen. Der Dicke stammelte unaufhörlich, daß er’s nicht mehr aushalten würde.
Ich bückte mich und tätschelte ihm freundlich in sein feistes Gesicht.
»Nicht schlagen!« schrie er.
»Keirie Angst. Ich tu dir nichts, Dickerchen. Ich komme wieder, wenn die Chancen für unser gemeinsames Geschäft günstiger für mich stehen, okay?« fragte ich.
»Ja, ja,-ja! Natürlich! Ja, Mr. Rand! Jederzeit willkommen!« stöhnte der Dicke ängstlich.
Ich nahm mir eine Zigarette aus einer Schachtel, die auf dem Schreibtisch lag, gab mir mit dem Tischfeuerzeug Feuer und spazierte zu der ledergepolsterten Doppeltür hinaus.
Ich kam in einen Korridor. Ich ging ihn nach links hinunter und öffnete die Tür am Ende. Ich trat in das Office des Tankwarts. Heute hatte ein anderer Dienst als
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