Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0017 - Wolfsnacht

0017 - Wolfsnacht

Titel: 0017 - Wolfsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kubiak
Vom Netzwerk:
vollkommen wiederhergestellt ist. Wenn Sie nichts dagegen haben, Dottore, werde ich Sie von Zeit zu Zeit besuchen.«
    »Aber nein, Professor. Ganz und gar nicht. Kommen Sie, wann Sie wollen. Doch jetzt bitte ich Sie, leise zu sein. Ich glaube, die Dame schläft.«
    Leise öffnete der Arzt die Tür zum Krankenzimmer, und die beiden Männer traten ein. Auch hier war es so finster wie im übrigen Haus. Zamorra bemerkte, daß die Vorhänge auch hier zugezogen waren.
    Als er an das Bett trat, schlug das Mädchen die Augen auf. »Wer sind Sie? Was wollen Sie? Ich kenne Sie nicht.«
    Zamorra lächelte beruhigend. »Das können Sie auch gar nicht. Als ich Sie nämlich heute nacht von der Straße aufsammelte, waren Sie weit weg im Land der Träume. Doch an dieses Tier, das Sie offensichtlich angefallen hat, können Sie sich doch noch erinnern, oder?«
    Müde schüttelte die Kranke den Kopf. »Nein, Signore. Ich erinnere mich nicht. Ich weiß überhaupt nicht, was geschehen ist. Ich weiß gar nichts mehr.«
    Ihr Gesicht nahm einen bestürzten Ausdruck an. »Mein Gott, ich kann mich nicht mehr erinnern, wer ich bin, Was will ich eigentlich hier, Signore?«
    Zamorra wollte den Dottore fragen, wie es zu dieser Amnesie kam. Als er jedoch in das Gesicht des Arztes blickte, zuckte er zusammen. Dieses Grinsen war das Widerlichste, was er je gesehen hatte. Soviel Haß und Verachtung lag in diesem Blick, daß Zamorra automatisch eine unerklärliche Angst um das Mädchen durchfuhr.
    Der Doktor bemerkte den Blick, und sofort bekam sein Gesicht wieder einen dienstbereiten und unterwürfigen Ausdruck.
    »Amnesie, Professor«, meinte der Arzt beiläufig, »Erinnerungsschwund. So etwas wird oft durch einen starken Schock hervorgerufen. Unternehmen kann man nichts dagegen. Man muß nur Geduld haben und hoffen, daß sich das von selbst gibt. Aber Sie können ja selbst beurteilen, daß es dem Mädchen schon wieder gut geht. Ich glaube, Sie gehen jetzt besser, denn meine Patientin braucht Ruhe.«
    Zamorra staunte wieder über diesen abrupten Wechsel in der Stimmung des Arztes. Erst war er hilfsbereit und entgegenkommend, dann sofort wieder unfreundlich und darauf begierig, daß sein Besucher ging.
    Zamorra wollte sich noch Gewißheit verschaffen. Ganz beiläufig knöpfte er die obersten Knöpfe von seinem Polohemd auf.
    »Hier ist es aber ziemlich heiß, Dottore. Daß Sie es hier den ganzen Tag aushalten, wundert mich.«
    Nun war der vierte Knopf offen, und das Amulett auf der Brust des Professors wurde entblößt.
    Der Arzt wollte etwas auf die Bemerkung Zamorras erwidern, da blieb sein Blick an dem Amulett hängen.
    Schlagartig wurde sein Gesicht totenblaß. Sein Atem ging schneller, und die Augen quollen hervor. Er streckte einen Arm aus, zeigte auf das Amulett, wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus.
    Der Professor beobachtete das scheinbar unbeteiligt. Ja, er tat so, als wäre an dem Benehmen seines Gesprächspartners überhaupt nichts Ungewöhnliches.
    Der Doktor hatte sich wieder gefangen. Zwar war er immer noch totenblaß, doch er konnte wieder sprechen.
    »So, Professor. Sie gehen jetzt wirklich besser. Ich habe noch einiges zu tun, bis die ersten Patienten kommen. Sie glauben ja gar nicht, wie einem in einem solchen Kaff die Arbeit über den Kopf wachsen kann.«
    Bei diesen Worten öffnete der Doktor schon wieder die Haustür und schob den Professor hinaus.
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Professor. Ich sorge schon für die Dame. Ihr wird es an nichts fehlen.« Dann fiel die Tür mit einem lauten Krach zu.
    Der Professor machte keine Anstalten, den Arzt noch in ein weiteres Gespräch zu verwickeln.
    Zamorra hatte genug erfahren. Jetzt mußte er sehen, wie er hinter das Geheimnis kam, das ohne Zweifel über dem Arzt, seinem Haus, ja sogar dem ganzen Ort Limone Sul Garda lag.
    ***
    Es wurde zehn Uhr, als Nicole Duval endlich erwachte. Da sie ihren Chef kannte, erwartete sie nicht im geringsten, mit ihm am Frühstückstisch zu sitzen. Im Gegenteil, er hatte sicher schon den halben Ort auf den Kopf gestellt, um seinem Geheimnis auf die Spur zu kommen.
    In aller Ruhe überlegte sie sich, wie sie sich dem Hotelpersonal und den Feriengästen am besten präsentieren sollte. Gedankenverloren suchte sie in ihrer Reisetasche nach etwas Passendem.
    Schließlich entschied auch sie sich für ihre Gammeljeans und ein T-Shirt, das so eng saß, daß sie getrost auf einen Büstenhalter verzichten konnte. Sollten sich die Kellner ruhig die

Weitere Kostenlose Bücher