0018 - Die Hexenmühle
verrückt?«
Simon Patrick sagte gar nichts. Er war wie gelähmt.
Dafür geriet Elena in Rage. »Stoppt die Furie!« kreischte sie. »Los, stopp sie, Hiller!«
Und auch Marion fauchte. Sie wich zurück bis zum Eingang. Ebenso wie Elena. Denn das Kreuz war für sie ein schlimmer Anblick. Berührten sie es, so verbrannte die Haut. Aus der Entfernung gesehen, bereitete es ihnen nur Schmerzen.
Wir waren nur Statisten. Was hätte ich darum gegeben, jetzt eingreifen zu können. Doch ich hing gefesselt an diesem verfluchten Mühlenflügel.
Auch mein Freund Suko lag hilflos auf dem Boden. Wir mußten uns ganz auf den Mut und auf die Entschlossenheit einer älteren Frau verlassen.
So etwas hatte ich noch nie erlebt.
Horace Hiller hatte den Befehl gehört. Und er gehorchte. Er glaubte noch an den Vampir.
Er lief seiner Frau entgegen.
»Halt!« schrie er. »Keinen Schritt!« Drohend hob er das Gewehr an die Hüfte.
Alma blieb tatsächlich stehen. »Du wagst es wirklich?« Ihre Augen weiteten sich ungläubig. »Du willst tatsächlich auf mich schießen? Auf deine Frau, die dir über zwanzig Jahre lang treu zur Seite gestanden hat, die mit dir durch dick und dünn gegangen ist?« Sie schüttelte den Kopf. »Das kann nicht dein Ernst sein, Horace.«
»Doch, es ist mir ernst!«
»Willst du denn nicht, daß die Vampirbrut vernichtet wird?«
»Doch.«
»Dann laß mich gehen!«
»Nein!« heulte Horace Hiller. »Du schaffst es nicht, Alma. Sie sind stärker. Wir haben ihnen nichts entgegenzusetzen. Sie bringen uns dann alle um. Sie töten jeden im Dorf!« Er atmete schwer. »Alma, wirf das Kreuz weg!«
»Nur über meine Leiche«, erwiderte Alma entschlossen.
»Hiller!« rief ich. »Seien Sie doch vernünftig. Machen Sie keinen Unsinn!«
Er wandte rasch den Kopf. »Halten Sie sich raus, Sinclair. Wie stark Sie sind, das sehen wir ja!«
Der Mann war nicht zu belehren. Mir wurde angst und bange. Himmel, was konnte ich noch tun?
Da hörte ich hinter mir eine flüsternde Stimme. »Ganz ruhig, Mister. Ich habe hier ein Messer. Ich schneide die verdammten Stricke durch. Rühren Sie sich nicht!«
Die Stimme! Mein Gott, woher kannte ich sie? Ich überlegte fieberhaft. Da fiel es mir wieder ein. Der alte Paddy war es, der hinter mir stand und an den Stricken herumsäbelte. Seine Hände zitterten. Er schnitt auch in meine Handgelenke, aber das war mir egal. Hauptsache, er zerschnitt die Fesseln. Doch die Zeit wurde knapp.
Noch immer standen sich Horace Hiller und seine Frau gegenüber, obwohl die Distanz nur wenige Schritte betrug, trennten die beiden doch Welten.
»Ich gebe dir zehn Sekunden«, sagte der Wirt. »Wenn du dann nicht das Kreuz fallen gelassen hast, schieße ich.«
Und nun begann ein Wettlauf mit der Zeit…
***
Ich spannte die Muskeln, wollte mithelfen, die verdammten Stricke zu sprengen.
Paddy säbelte verbissen an den Fesseln. Er fluchte dabei leise vor sich hin.
Aber die Stricke lockerten sich. Endlich!
Niemand beobachtete uns. Die anderen waren von dem Geschehen vor der Mühle gefesselt.
»Noch fünf Sekunden!«
»Beeil dich, Paddy!« zischte ich. »Himmel noch mal…« Paddy tat sein Bestes.
»Aus, Alma! Jetzt mußt du dich entscheiden.«
Da fiel der letzte Strick.
»Ich habe mich bereits entschieden, Horace! Ich stelle mich nicht auf die Seite der Hölle!«
»Dann stirb.«
Ich hechtete aus dem Stand nach vorn. Erreichen konnte ich den Kerl nicht. Ihn aber ablenken.
»Hiller!« gellte meine Stimme.
Der Wirt zögerte mit dem Schuß. Dann kreiselte er herum. Sah mich, seine Augen wurden groß, und er feuerte.
Ich sah die Mündungsflamme aufblaffen, warf mich zur Seite, und die Kugel jaulte vorbei. Etwa einen Yard neben mir pflügte sie das Erdreich auf.
Zum Glück war Hiller kein guter Schütze. Im Normalfall hätte ich ihm schon längst die Waffe entwunden. Doch die Blutzirkulation spielte nicht mit. Ich war noch steif und ungelenk, rollte mich über den Boden, denn Hiller hatte zum zweiten Mal auf mich angelegt.
Da griff seine Frau ein.
Und auch Paddy tat das, was er für richtig hielt. Ungesehen hatte er sich Hiller von der Seite genähert. Blitzschnell sprang er ihn an.
Hiller taumelte.
Die zweite Kugel pfiff in den Nachthimmel. Dann fiel der Schütze zu Boden.
Zwischen den beiden Männern entspann sich ein harter Kampf. Paddy versuchte, dem Wirt das Gewehr zu entreißen, doch Hiller wollte nicht loslassen. Er gab um keinen Deut nach, war zudem noch kräftiger und jünger als
Weitere Kostenlose Bücher