0018 - Die Hexenschwestern
den Flur gefallene Fackel zu greifen und ins Zimmer zurückzuschleudern. Der Teppich würde Feuer fangen. Auch sie hatte die Angst der Lamias vor dem roten, brennenden Element erkannt. Wenn es ihnen gelingen würde, das Zimmer in Brand zu stecken und die Tür zu schließen, könnten sie den Lamias den Rückweg abschneiden.
Pamela kam bis zur Tür. Dann aber wurde sie wie von einer Riesenfaust zurückgeworfen. Cleas Faustschlag hatte sie getroffen wie vorhin Nicole.
Pamela gab auf. Nicole machte noch einen Versuch, mit einem Hocker auf Clea einzudringen. Da vertrat ihr Ana den Weg und schlug ihr die harte hölzerne Waffe wie einen Strohhalm aus der Hand.
»Genug jetzt!« schrie Clea die bei den Mädchen an. »Ihr habt gezeigt, wie schön ihr spielen könnt. Nun aber wird es Zeit, euch die ernste Seite eures Besuchs begreiflich zu machen. Folgt mir! Du, Ana, gehst hinter ihnen, damit du sie beobachten kannst.«
»Was habt ihr mit uns vor?« fragte Nicole.
»Das werdet ihr gleich erfahren!« sagte die älteste der Lamias und wandte sich zum Gehen.
Diesen Augenblick nutzte Nicole aus. Ana wartete, daß die Mädchen an ihr vorbeigingen und Clea folgten. In dieser Sekunde waren sie also von Clea unbeobachtet.
Mit einem katzenartigen Satz war Nicole an Anas Kehle. Verbissen drückten ihre Hände zu. Ana ließ ihre Kerze zu Boden fallen und versuchte, sich zu befreien.
Aber auch Pamela war sofort hinzugesprungen. Sie riß der Lamia beide Arme auf den Rücken, während Nicole auf die Untote einschlug.
Zu zweit hätten sie die Hexe wahrscheinlich überwältigen können.
Aber da hörte Clea, die ahnungslos vorausgegangen war, den röchelnden Atem der Schwester.
Mit schnellen Schritten kam sie zurück, ging um die immer noch lodernde Fackel herum und riß mit einem Ruck die junge Französin hoch.
Sie besaß übermenschliche Kräfte, zerrte Ana und auch Nicole mit einem einzigen Griff vom Boden hoch.
Dann spürte Nicole einen brennenden Schmerz in der Magengrube. Ana hatte sich von Pamela losreißen können und schlug wie wild auf die Französin ein.
Dem Mädchen schwanden für einen Augenblick die Sinne. Als sie wieder zu sich kam, lag sie noch auf dem Teppich. Pamela stand völlig leblos an der Wand im Flur draußen. Und über sich sah Nicole die höhnischen, triumphierenden Gesichter der Lamias, die zu Fratzen verzerrt waren.
Die Hexe Clea machte nur ein kurzes Handzeichen.
Nicole und Pamela mußten sich fügen.
Unter Schmerzen erhob sich Zamorras Sekretärin und ging hinter Clea her. Ana versetzte Pamela einen Stoß, daß diese nach vorn taumelte und erst nach wenigen Schritten wieder aufrecht gehen konnte.
Der Weg führte durch den ersten prachtvollen Raum zurück.
Dann durchschritten sie die Tür, die zu dem anderen Flur führte. Sie hatten gerade die scharfe Biegung erreicht, als Nicole aufschrie.
***
Sie hatte die beiden leblosen Körper, die verkrümmt am Boden lagen, als erste gesehen. Im matten Schein der beiden Kerzen sah sie die nackten, blutüberströmten Leichen.
»Ihr Mörderinnen!« rief Pamela mit anklagender Stimme. »Ihr habt sie umgebracht!«
Clea wandte sich um und sah mit giftigen Blicken auf die Mädchen.
»Im Gegenteil«, sagte sie, »wir haben sie nach dem Tod so präpariert, daß ihr Blut noch weiter durch ihre Adern fließt. Wir haben ihr Blut getrunken, und jetzt sind sie tot. Wir morden nicht, Nicole Duval. Wir trinken nur das Blut unserer Opfer.«
»Ja, bis sie sterben!« schrie Nicole auf. Ihr Entsetzen hatte sie nicht einmal merken lassen, daß die Lamia ihren Namen genannt hatte.
Ihr ganzes Wesen war mit der schändlichen Tat dieser Lamias beschäftigt.
Und irgendwie wußte sie, daß sie diesen Hexen erbarmungslos ausgeliefert war und das Schicksal der anderen Opfer teilen würde.
»Weiter!« rief Clea und ging wieder voran.
Den Mädchen blieb nichts anderes übrig, als der Lamia zu folgen.
Sobald Nicole oder Pamela den Schritt verlangsamten, wurden sie von Ana brutal vorangestoßen.
Als Clea die Tür zu einem riesigen steinernen Gewölbe aufstieß, versagten den Mädchen fast die Sinne.
Nicole glaubte, in einer mittelalterlichen Folterkammer zu sein.
Auf einem riesigen Steinblock, der wie ein alter Opferstock einer unheimlichen Religionszeremonie anmutete, lag ein gefesselter Mann.
Nicole kannte ihn nicht. Aber der Mann war jung, schlank und sehr hoch gewachsen. Da wußte Nicole Duval, daß es sich nur um Ted Larryfair handeln konnte.
Schnell wandte sie sich um
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