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0019 - Die Schreckenskammer

0019 - Die Schreckenskammer

Titel: 0019 - Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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würfelförmigen Sockel, hinter dessen Glaswänden es nichts gab außer Drähten, Kontrollampen und ein paar Apparaturen.
    Einen Sockel!
    Mehr nicht? Keinen Körper, weder Arme noch Beine, noch Leib, noch…
    Marrics Lippen öffneten sich. Eine einzige Sekunde verging zwischen der Erkenntnis der Wahrheit und der Gewißheit der Vernichtung, aber es war eine Sekunde, in der das Grauen einer Ewigkeit Raum hatte. Marric wollte schreien, doch seine Kehle war zugeschnürt. Er starrte in den Spiegel, er atmete schnell und kurz, und auf dem Höhepunkt des Entsetzens schien der Raum um ihn in einem weißglühenden Leuchten zu verschwinden, das aus den Tiefen seines Selbst kam, aus der lodernden Hölle, die sich in ihm aufgetan hatte und die alle Empfindungen auslöschte.
    Als sein Bewußtsein zurückkehrte, war Giordano Calgaro verschwunden.
    Der Spiegel stand immer noch an der Wand: Dieser verdammte Spiegel, der in brutaler Deutlichkeit einen Glasbehälter mit Apparaten zeigte und einen isolierten menschlichen Kopf ohne Körper.
    Marric starrte hinüber. Mit einem seltsamen Gefühl des Unwirklichen, als ob er das Bild in einem Buch betrachtete. Ein Kopf! Ein einzelner Kopf, in einer wahnsinnigen Operation vom Rumpf getrennt.
    Schläuche, die einen künstlichen Blutkreislauf aufrecht erhielten und das Gehirn mit Sauerstoff versorgten. Sein Gehirn und seinen Kopf! Marric fragte sich, wieso er nicht wahnsinnig wurde, nicht vor Entsetzen längst den Verstand verloren hatte, und als er erneut in den Spiegel sah, kannte er die Antwort.
    Er begriff nicht.
    Er konnte die Wahrheit sehen und denken, vielleicht laut aussprechen, aber er konnte sie nicht wirklich begreifen. Kein Mensch konnte das. Denn kein Mensch war fähig, sich als das Wesen zu fühlen, das da im Spiegel zu sehen war, das unbegreiflicherweise immer noch lebte, immer noch dachte und unbegreiflicherweise immer noch menschliche Züge zeigte.
    Marric schloß die Augen, öffnete sie wieder. Der Kopf im Spiegel tat das gleiche. Mit kalten, erloschenen Augen starrte der Magier sein Ebenbild an, und die Gedanken in seinem losgelösten Hirn bewegten sich tastend in die Zukunft.
    Er war hilflos.
    Bewegungsunfähig, an seinen Platz gebannt, auf immer Calgaros Willkür ausgeliefert. Das Gesicht im Spiegel verschwamm, Calgaros verzerrte Fratze schob sich dazwischen, und Marric glaubte wieder, die Worte des wahnsinnigen Arztes zu hören: »Du wirst zusehen, wie ich die Herrschaft über die Welt ergreife. Du wirst alles miterleben, alles…«
    Ja, das war es. Calgaro haßte ihn. Er wollte ihm seine Macht demonstrieren, und er brauchte einen Zuschauer. Marrics Gedanken erstarrten, wurden zu Eis. Jetzt endlich begriff er, jetzt war er fähig, die Wahrheit wirklich zu erfassen, und in einer Art Explosion des Entsetzens wurde ihm bewußt, daß er nicht einmal auf die Erlösung des Todes hoffen konnte.
    Er mußte weiterleben.
    Weiterleben in einer Gestalt, die kein Mensch war, weniger als ein Krüppel, die genaugenommen nur noch ein gräßliches Präparat darstellte. Menschliches Bewußtsein, auf immer eingesperrt – in das enge Gefängnis eines knöchernen Schädels! Verdammt zum Weiterexistieren! Verdammt, zu sehen, zu fühlen und zu denken, unfähig zur Flucht, unfähig, dem Grauen ein Ende zu machen und…
    Marric stöhnte.
    Für einen Moment verwirrte sich alles, schien sein fiebernder Geist die Grenze zu streifen, hinter der der Wahnsinn lag. Wie ein roter Vorhang senkte sich etwas um ihn herab, schien ihn einzuhüllen, ihn verschlingen zu wollen – und als der Augenblick vorbei war, der Wahnsinn zurückwich, hatte eine neue, andere Empfindung das Grauen abgelöst.
    Haß war es.
    Ein blinder, lodernder, aus Urtiefen emporsteigender Haß, der sein Bewußtsein überschwemmte und sein Hirn bis in den letzten Winkel füllte. Er fühlte ihn kommen. Für den Bruchteil einer Sekunde stemmte er die Schranke seiner Beherrschung dagegen. Er dachte an Calgaro. Er dachte an das, was dieser Teufel ihm angetan hatte – und die Schranke zerbrach und ließ die Flutwelle eindringen.
    Der Haß nahm von ihm Besitz.
    Und mit dem Haß kam eine Kraft, die schon immer in ihm geschlummert hatte, die er von jeher besaß und die niemals bis in ihre letzten Tiefen ausgelotet worden war.
    Noch war er nicht verloren!
    Noch hatte er Macht – die Macht seiner Augen, die Macht seiner Gedanken – und jene andere, dunkle Macht, die noch tiefer lag als all das andere.
    Irgendwann würde Calgaro

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