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0019 - Die Schreckenskammer

0019 - Die Schreckenskammer

Titel: 0019 - Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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zurückkommen.
    Er würde zurückkommen, er würde Marric gegenübertreten, von Angesicht zu Angesicht – und der Magier wußte, daß dann erst der Kampf begann, der erweisen würde, wer von ihnen beiden der Stärkere war…
    ***
    Langsam drückte der Arzt den Kolben der Spritze nieder.
    Sein gebräuntes, faltiges Gesicht unter dem rostfarbenen Haar wirkte konzentriert, und die Spannung löste sich erst, als er die Kanüle zurückzog und einen alkoholgetränkten Tupfer auf die Einstichstelle in der Armbeuge preßte.
    Aufmerksam blickte er in Jim Coltranes blasses Gesicht hinunter.
    Der Junge hatte ein mit Heftstreifen befestigtes Mullpolster an der Stirn, seine Lider waren geschlossen, sein Atem ging ruhig und regelmäßig. Der Arzt hob den Kopf, sah von Jessica zu Professor Zamorra hinüber und lächelte freundlich.
    »Er wird bald wieder auf den Beinen sein«, sagte er. »Ich halte es für besser, wenn er diese Nacht hierbleibt – das dürfte ihm guttun.«
    Zamorra nickte.
    »Wann kann ich mit ihm sprechen?« erkundigte er sich.
    »Nicht vor morgen früh. Ich denke, er ist dann wieder so weit hergestellt, daß ich ihn nach Hause schicken kann. Aber bis dahin braucht er Ruhe – nur Ruhe.«
    »Selbstverständlich, Doktor. Vielen Dank für Ihre Mühe. Kommen Sie, Jessica?«
    Das Mädchen atmete tief durch. Ein erleichtertes Lächeln flog über ihr Gesicht, als sie sich noch einmal über Jim beugte und ganz sanft seine Wange berührte. Sie bedankte sich ebenfalls bei dem Arzt, dann verließen sie das Haus, liefen durch den prasselnden Regen bis zu dem Cadillac und fuhren ins Hotel zurück.
    Eine halbe Stunde später lag Professor Zamorra ausgestreckt auf dem Bett in seinem Zimmer, blickte zu dem offenen Fenster hinüber, das sich als helleres Viereck in der Nacht abzeichnete, und beobachtete das schattenhafte Spiel der sich im Wind bauschenden Vorhänge.
    Zamorra fand wenig Schlaf in dieser Nacht.
    Er dachte an Jim Coltrane. An Jessica. An die drei verschwundenen Mädchen, die er offenbar bei dem Versuch gestört hatte, Jim zu ermorden.
    Und er dachte an Alban Marric, den Magier, und wurde sich mit einer Mischung aus Verwunderung und hellsichtigem Schrecken bewußt, daß es unerklärlicherweise immer noch die Begegnung mit Marric war, die ihn mehr als alles andere beunruhigte…
    ***
    Drei Meilen entfernt, im Keller von Farlund Castle, produzierte Alban Marrics isolierter Kopf noch immer Gedanken.
    Das Licht in dem Verlies war erloschen. Zum erstenmal seit Stunden fühlte sich Marric körperlos, fühlte sich wirklich als das, was er war. Er grübelte. Haß trieb ihn, hatte den Schlaf verscheucht, verwandelte sein Gehirn in einen tödlich zielbewußten Computer. Er dachte und dachte, entwickelte Ideen und verwarf sie, tastete verbissen und geduldig die weiten Räume der Phantasie ab – und irgendwann flammte der Gedanke in ihm auf wie ein Blitzschlag.
    Der Cyborg!
    Dieser makabre Roboter, der künstliche Mensch, den Calgaro geschaffen hatte!
    Eine Maschine ohne Hirn – ein Kopf ohne Körper.
    War das die Lösung?
    Alban Marrics Augen waren weit und ausdruckslos und starrten in die Dunkelheit…
    ***
    Auch Jessica konnte nicht einschlafen.
    Ihr Zimmer lag zur Straße hinaus. Sie hörte die Geräusche vorbeifahrender Autos, ab und zu auch die Schritte von Gästen, die noch spät das Restaurant verließen. Einmal, als sie schon fast eingedämmert war, drang das geschmeidige Surren eines schweren Wagens in ihr Bewußtsein. Er stoppte ganz in der Nähe, der Motor verstummte, und im nächsten Moment raschelten Schritte im welken Laub.
    Jessica runzelte die Stirn.
    Sie fragte sich, wer das sein mochte. Das Hotel war längst geschlossen, das wußte sie, weil sie den Widerschein der beiden Reklamelaternen nicht mehr im Fensterviereck sah. Und in Redhorn pflegten sich die Leute im allgemeinen um diese Zeit nicht mehr auf der Straßen herumzutreiben. Einer von den Fremden? Vielleicht der Professor? Jessica zuckte die Achseln. Sie zog die Decke bis zum Kinn hoch, sie wollte sich auf die andere Seite drehen, um endlich einzuschlafen, doch dann stützte sie sich ruckartig auf den Ellbogen auf und lauschte unruhig.
    Sie wußte selbst nicht genau, was ihre Neugier erregte.
    Aus irgendeinem Grund hatte sie plötzlich das deutliche Gefühl, daß sich da unten auf der Straße etwas abspielte. Sie schlug das Laken zurück. Sekundenlang spielte sie mit dem Gedanken, ihren Vater zu wecken, doch dann schüttelte sie den Kopf, weil ihr

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