002 - Das Henkersschwert
und vom Katafalk gezerrt. Dorian stieß sich den Kopf an, spürte aber keinen Schmerz. An den Bewegungen erkannte er, daß der Sarg getragen und schließlich wieder abgestellt wurde. Es verging einige Zeit, ehe man ihn erneut hochhob. Jetzt lassen sie mich ins Grab hinunter, schoß es ihm durch den Kopf. Etwas prasselte auf den Sargdeckel. Wahrscheinlich Erde.
Dann war es jedoch plötzlich wieder still.
Und plötzlich konnte er sich bewegen. Er versuchte, den Deckel hochzustemmen; wieder und wieder drückte er mit aller Kraft dagegen. Dann schrie er so laut er konnte, gab es aber nach wenigen Minuten auf; es war sinnlos, niemand konnte ihn hören. Er überlegte.
Es war unmöglich, den Sargdeckel von innen zu öffnen, aber dafür konnte er vielleicht etwas anderes tun, um wenigstens Luft zu bekommen. Er griff in seine Hosentasche, zog ein Taschenmesser heraus, das mit verschiedenen Werkzeugen ausgestattet war, klappte den Flaschenöffner auf und drückte ihn gegen den Deckel. Der Sarg bestand aus billigem Holz. Eigentlich dürfte es nicht schwierig sein, ein paar Löcher in den Deckel zu bohren. Allerdings war Dorian in seiner Bewegungsfreiheit ziemlich eingeschränkt, und es bereitete ihm Mühe, den Flaschenöffner richtig anzusetzen. Schließlich aber gelang es ihm. Er begann den Öffner zu drehen, und der Stahl fraß sich langsam in das Holz. Als er ihn bis zum Anschlag hineingebohrt hatte, drehte er ihn heraus. Kein Lichtstrahl drang in den Sarg, es war ihm also nicht gelungen, den Deckel zu durchbohren.
Er probierte es noch einmal. Sein Gesicht war trotz der Kälte von Schweiß bedeckt. Nach einigen weiteren Versuchen gab er es auf. Er holte eine kleine Taschenlampe hervor und knipste sie an. Mehr als zehn Löcher hatte er in den Sargdeckel gebohrt. Er richtete den Strahl der Lampe auf seine Armbanduhr. Es war kurz nach zwölf.
Fast zwei Stunden lag er nun schon im Sarg. Er hatte Hunger und Durst, und die Luft war schlecht geworden. Er klappte das Messer auf und bohrte es ins Holz. Immer wieder knipste er die Taschenlampe an, um sich vom Fortgang seiner Arbeit zu überzeugen. Das Loch wurde tiefer, doch den Deckel hatte er noch nicht durchstoßen.
Schließlich legte er eine Pause ein und sah wieder auf die Uhr. Eine halbe Stunde war vergangen. Er hoffte, daß die Totengräber erst morgen das Grab zuschaufeln würden; das war seine einzige Chance. Verbissen arbeitete er weiter, und dann hatte er es endlich geschafft. Es war ihm gelungen, ein kleines Loch in den Deckel zu bohren. Ein schwacher Lichtstrahl fiel in den Sarg. Dorian ließ nicht locker. Er bohrte und schabte weiter. Das Loch war bald mehrere Zentimeter groß. Jetzt bekam er wenigstens wieder frische Luft. Er drückte die Klinge stärker gegen die Öffnung, und plötzlich brach sie in der Mitte durch. Vor Wut heulte er auf, setzte aber seine Arbeit fort. Das Loch mußte größer werden! Nach siebzehn Uhr konnte er schon eine Hand durch das Loch stecken. Draußen war es dunkel geworden. Dorian überlegte, ob es Sinn hatte, mit der Taschenlampe Signale zu geben. Nun, es war einen Versuch wert. Er knipste die Taschenlampe an und steckte die rechte Hand durchs Loch. Er hielt sie zwischen Zeigefinger und Daumen und bewegte die Finger unentwegt. Einige Minuten ließ er den Strahl umherwandern, doch es geschah nichts. Er schloß die Augen, gab sich seinen Rachegedanken hin und schreckte erst auf, als er ein Geräusch vernahm. Erde prasselte auf den Sargdeckel. Sofort schob er abermals die Taschenlampe durch das Loch und knipste sie an. Er hörte einen überraschten Aufschrei, dann krachte etwas überlaut auf den Sarg. Dorian zog die Hand zurück. Die Schritte auf dem Deckel hallten dumpf.
»Lebst du?« hörte er Cocos Stimme.
»Ja«, sagte er wütend. »Ich lebe noch.«
»Ich hole dich heraus«, versprach sie.
Dorians Hände zitterten. Coco würde ihr blaues Wunder erleben.
Er hatte sich einiges für sie ausgedacht. Seine Wut richtete sich nicht so sehr gegen die anderen Angehörigen der Familie Zamis, sondern hauptsächlich gegen dieses Hexenweib. Er hörte sie mit einem Schraubenzieher herumhantieren. Das Zittern seiner Hände wurde schwächer, doch die Wut bereitete ihm fast körperliche Schmerzen.
Sein Plan stand fest. Er würde Coco seinen Haß nicht merken lassen und erst zum richtigen Zeitpunkt zuschlagen.
»Ich bin bald fertig«, hörte er ihre Stimme. »Nur noch ein paar Schrauben.«
Er drückte gegen den Sargdeckel, der schon etwas
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