002 - Das Henkersschwert
Nacht, und je länger er grübelte, desto deutlicher wurde ihm bewußt, daß Coco ihn verhext hatte. Sie hatte ihn völlig in ihren Bann gezogen. Er hatte ihr keine einzige Frage mehr gestellt, aber das würde er jetzt nachholen. Er grinste grimmig. Coco würde eine Überraschung erleben.
Wieder einmal jedoch kam alles ganz anders. Als Coco das Badezimmer verließ, brauchte sie ihn nur anzusehen, und sofort erlag er wieder ihrer Faszination. Alle Fragen wurden unwichtig. Sie küßte ihn sanft auf die Lippen.
»Beeil dich!« sagte sie. »Um zehn Uhr haben wir eine Verabredung.«
Willenlos ging er ins Badezimmer, um sich zu waschen und zu rasieren. Coco stand neben ihm. Er kämpfte gegen ihre Ausstrahlung an, schloß verzweifelt die Augen und versuchte sich zu konzentrieren, doch es gelang ihm nicht, sich aus ihrem Bann zu befreien. Sein Gehirn war wie eingenebelt.
Wenig später nahmen sie im Frühstücksraum des Hotels Platz.
Dorian hatte keinen Appetit und bestellte nur ein Kännchen Kaffee.
Schweigend hingen sie beide ihren Gedanken nach.
Coco war zu einem Entschluß gekommen. Ihr blieb keine andere Wahl. Sie mußte das Spiel mitspielen, aber sie hoffte dennoch auf eine Möglichkeit, Dorian zu retten.
Er trank seinen Kaffee, steckte sich eine Zigarette an und schaute erst wieder auf, als Jerome Barrett den Frühstücksraum betrat. Der Psychiater kam geradewegs auf Dorians Tisch zu.
»Guten Morgen«, grüßte er und schaute Coco verwundert an.
»Eine alte Bekannte«, stellte Dorian sie vor. »Miß Zamis.« Er sprach jetzt Englisch.
Barrett reichte Coco die Hand.
»Setzen Sie sich, Mr. Barrett«, sagte Dorian.
Der Psychiater nahm Platz und musterte ihn aufmerksam. Hunters flackernder Blick und seine bleiche Gesichtsfarbe machten ihm Sorgen. »Fühlen Sie sich nicht gut?« fragte er.
»Doch, es geht mir ganz ausgezeichnet.«
Der Psychiater erwartete, daß Dorian ihm einige Fragen stellen würde, doch dieser schwieg und starrte verbissen in seine Kaffeetasse. Aus den Augenwinkeln beobachtete Barrett das Mädchen. Sie war ungewöhnlich schön, wie er fand, aber hochgradig nervös.
»Interessiert Sie nicht, was mit Ihrer Frau los ist, Mr. Hunter?«
Dorian starrte ihn verständnislos an. Er hatte den eigentlichen Zweck seines Aufenthalts in Wien völlig vergessen. »Wie geht es ihr?« fragte er zögernd.
»Den Umständen entsprechend«, sagte der Psychiater. »Ich durfte sie kurz sehen. Es ist alles vorbereitet. Wir können noch heute abfliegen.«
»Das ist leider nicht möglich«, schaltete sich Coco ein. »Wir haben noch viel zu erledigen. Dorian muß die Abreise verschieben.«
Barrett sah das Mädchen stirnrunzelnd an, dann warf er Dorian einen Blick zu. »Stimmt das?« fragte er.
Hunter nickte mit zusammengepreßten Lippen. Er wollte schreien, wollte sagen, daß Coco ihn beeinflußte, aber er brachte keinen Laut heraus. Wieder hatte er starke Kopfschmerzen bekommen und war zu keinem klaren Gedanken mehr fähig.
»Sie müssen zur Klinik«, sagte Barrett. »Es sind einige Papiere zu unterzeichnen. Ich habe gesagt, daß Sie am Vormittag vorbeikommen würden.«
»Wir haben um zehn Uhr eine wichtige Verabredung«, warf Coco ein. »Er kann erst am Nachmittag kommen.«
Barrett sah wütend auf das Mädchen. »Was hat das zu bedeuten?
Haben Sie die Sprache verloren, Mr. Hunter?«
Dorian schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er gepreßt. »Ich fühle mich nur nicht besonders gut. Coco hat aber recht. Ich kann jetzt nicht zur Klinik fahren.«
Dem Psychiater kam das alles reichlich sonderbar vor. Einige Minuten zuvor hatte Hunter erklärt, daß er sich in ausgezeichneter Verfassung befände. Dieses Mädchen schien einen unheilvollen Einfluß auf ihn auszuüben.
»In welcher Beziehung stehen Sie eigentlich zu Mr. Hunter, wenn ich fragen darf?« erkundigte er sich, doch als er ihr in die Augen schaute, zuckte er erschrocken zusammen. Ihr Blick war eisig.
»Sie fragen zu viel«, entgegnete sie.
Der Psychiater versuchte sich ihrem Blick zu entziehen, doch es gelang ihm nicht. Cocos Augen wurden immer schmaler, ihr Blick starr und durchdringend. Der Psychiater blieb wie gelähmt sitzen.
»Wir müssen gehen, Dorian«, sagte sie schließlich bestimmt und stand auf.
Hunter folgte ihr willig, und sie verließen das Frühstückszimmer.
Kaum waren sie verschwunden, fiel die Erstarrung von Barrett ab.
Verwundert wischte er sich über die Augen und schob den Stuhl zurück, um ihnen zu folgen. Als er die Halle
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