002 - Das Henkersschwert
meinte Helnwein. »Aber was wollen Sie damit ausrichten?«
»Ich habe keinerlei Ahnung, wie man einen Untoten erledigen kann«, sagte Dorian. »Vielleicht helfen geweihte Silberkugeln.«
»Das bezweifle ich«, sagte Helnwein bestimmt.
»Wissen Sie etwa, wie man einen Untoten beseitigt?« fragte Dorian aggressiv.
»Nein, das weiß ich leider nicht. Aber ich könnte in meinen Büchern nachsehen. Das wird zwar einige Zeit dauern, aber ich bin sicher, daß es eine Möglichkeit gibt.«
»Wie lange würde das dauern?« fragte Dorian neugierig.
»Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Unter Umständen finde ich schnell etwas, es kann aber auch Stunden dauern.«
»Dann ist es sinnlos. Ich muß bis Mitternacht das Haus der Zamis' wieder verlassen haben, und jetzt ist es schon nach neun Uhr. Ich brauche zwei Kreuze aus Holz, ein kleines mit einer Silberkette und ein größeres.«
»Die habe ich hier«, sagte Helnwein. »Was benötigen Sie sonst noch?«
»Haben Sie irgendein ägyptisches Amulett, wenn möglich mit einem Frosch und einer Schlange? Ein Ring wäre am besten.«
»Ich kann Ihnen einen Ring und einen Anhänger geben, auf denen die gewünschten Motive sind.«
»Sehr schön«, sagte Dorian. »Dann brauche ich noch etwas Knoblauch und den Knochen eines Menschen, der mindestens seit hundert Jahren tot ist.«
»Damit kann ich Ihnen auch dienen, mein Freund«, sagte Helnwein verschmitzt. »Sie verlangen aber reichlich seltsame Gegenstände für einen Besuch bei einer ehrenwerten Familie. Wollen Sie es sich nicht doch noch überlegen?«
Dorian schüttelte entschieden den Kopf. Helnwein verschwand, tauchte aber nach wenigen Minuten wieder auf und legte die gewünschten Gegenstände auf den Tisch. Das silberne Kreuz hängte sich Dorian um den Hals. Den Bronzering, der eine Schlange darstellte, die sich um einen Frosch wand, steckte er an den Zeigefinger der rechten Hand. Das Amulett baumelte an einer goldenen Kette; es war handtellergroß, und auf der Vorderseite waren unverständliche magische Zeichen eingraviert, die ebenfalls um eine Schlange gruppiert waren. Das Holzkreuz und den Fingerknochen steckte Dorian in die Rocktasche. Dann holte er seine Pistole hervor, entlud sie und schob die geweihten Patronen mit den Silberkugeln ins Magazin. Zum Abschluß bat er um eine Schüssel Wasser und ein Leinentuch. Helnwein brachte ihm das Gewünschte. Dorian wusch sich gewissenhaft die Hände im kalten Wasser, dann das Gesicht. Er tupfte mit dem Leinentuch die Tropfen weg, nahm die Knoblauchzehe in die Hand, zerdrückte sie zwischen den Fingern und rieb sich die scharf riechende Flüssigkeit ins Gesicht und auf die Handrücken.
»Ich bin fertig«, sagte er. »Jetzt fehlte mir nur noch das Schwert.
Aber sie sagten, daß sie es noch nicht da hätten?«
»Es befindet sich ebenfalls im Tresor«, sagte Helnwein. »Aber ich könnte es Ihnen morgen zur Klinik bringen.«
»Das ist eine gute Idee«, sagte Dorian. »Ich rufe Sie morgen an und …«
»Wenn Sie morgen noch leben«, sagte Helnwein leise.
Dorian fühlte sich unbehaglich. Entschlossen stand er auf. Der Alte versuchte nochmals, ihn zurückzuhalten, doch er hatte kein Glück damit. Dorian ließ sich nicht von seinem Vorhaben abbringen.
Der Regen war in Schnee übergegangen; kleine Flocken peitschten Dorians Gesicht. Den Mantel legte er auf den Beifahrersitz. Er hatte beschlossen, ohne ihn ins Haus einzudringen, da er so mehr Bewegungsfreiheit hatte. Er schaltete die Scheinwerfer ein und startete den Wagen. Helnwein stand in der Tür und winkte ihm kurz nach.
Dorian wendete und fuhr die Jagdschloßgasse zurück. Als er die Ratmannsdorfgasse erreicht hatte, bog er nach links ab. Aufmerksam studierte er die Nummerntafeln der Häuser. Endlich tauchte das Haus der Zamis' auf. Links und rechts in der Gasse standen Kastanienbäume. Hinter einem aus Blättern und Ästen gebildeten Laubhaufen stellte er den Wagen ab. Er blieb einige Minuten unbeweglich sitzen und beobachtete das Haus. Von seinem Standort aus konnte er nicht allzuviel erkennen. Das Haus stand auf einem Eckgrundstück und lag mindestens hundert Meter von der Straße entfernt. Das Grundstück mußte ziemlich groß sein. Eine zwei Meter hohe Steinmauer umgab den Garten. Die Straßenbeleuchtung, die vom Wind hin und her gezerrt wurde, erschwerte die Sicht. Eine Tanne stand nahe der Mauer; ihre gewaltigen Äste ragten bis auf den Bürgersteig hinaus. Dorian gestand sich ein, daß er nervös war, und je länger
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