002 - Das Henkersschwert
ein Haar einen furchtbaren Fehler begangen hätte.
»Stehen Sie auf, Herr Helnwein«, sagte er schwach und steckte das Feuerzeug ein. Dann zog er sein Taschenmesser hervor, hob Coco vom Scheiterhaufen herunter, schnitt ihr die Fesseln durch und riß das Pflaster ab.
»Zieh dich an«, sagte er tonlos.
Er ging einige Schritte weiter und blieb stehen. Helnwein trat neben ihn und legte seine rechte Hand auf Dorians Schulter.
»Danke«, sagte der Alte.
»Sie haben mir nichts zu danken«, sagte Dorian. »Wenn schon, dann muß ich Sie um …« Ein leises Schluchzen war zu hören. »Können Sie mir verzeihen, Helnwein?« Er drehte sich um und sah den Alten an, der lächelte.
»Ich habe Ihnen schon verziehen, mein Freund.«
Die Hand des Alten war warm. Dorian drückte sie fest.
»Sie müssen noch viel lernen, mein Freund«, sagte Helnwein nachdenklich. »Sehr viel. Sie urteilen zu rasch. Viel zu rasch.«
Sie gingen zu Coco zurück, die eben in ihren Mantel schlüpfte.
»Nehmen Sie Coco nach London mit, Hunter?« fragte Helnwein.
Dorian nickte und sah Coco an. Langsam schritten sie den gewundenen Weg hinunter, der sie zu Dorians Wagen brachte. Keiner sagte ein Wort. Vor Dorians Auto blieben sie stehen.
»Einen Augenblick noch!« sagte Helnwein. »Ich bin sofort wieder zurück.«
Dorian versuchte die Zeit zu nutzen, um sich bei Coco zu entschuldigen. »Ich war wie von Sinnen«, sagte er. »Ich wußte nicht, was ich tat. Ich …« Er stockte, weil ihm die Worte fehlten.
Coco erwiderte nichts. Sie wußte, daß er kein schlechter Mensch war. Die Ereignisse der letzten Wochen hatten ihn zermürbt. Aber sie wußte dennoch nicht, wie sie sein Benehmen zu deuten hatte.
Wenn er zum Fanatiker wurde, würde sie es schwer haben, an seiner Seite zu bleiben. Um jemanden zu lieben, mußte sie in erster Linie Vertrauen zu ihm haben, doch das war jetzt, so kurze Zeit, nachdem Dorian sie hatte ermorden wollen, unmöglich. Schweigend stieg sie ins Auto.
Dorian preßte betreten die Lippen zusammen. Er war froh, als Helnwein endlich zurückkehrte. In seiner rechten Hand hielt er den Karton.
»Das versprochene Abschiedsgeschenk«, sagte er.
»Das kann ich nicht annehmen«, entgegnete Dorian.
»Ich versprach Ihnen das Schwert, wenn Sie Coco nach London mitnehmen. Und Sie nehmen sie mit.«
»Trotzdem kann ich das Schwert nicht nehmen«, sagte Dorian stur.
Helnwein lachte, ging zur Beifahrertür und öffnete sie. »Dann schenke ich das Schwert Ihnen, Coco. Vielleicht wird es Ihnen mal helfen.«
Coco nahm den Karton und bedankte sich.
»Ich hoffe, wir sehen uns einmal wieder«, sagte Helnwein. »Und Ihnen, Dorian, wünsche ich viel Erfolg bei Ihrem Kampf gegen die Dämonen. Passen Sie auf Coco auf! Sie steht hinter Ihnen. Sie brauchen Menschen, die Sie unterstützen.«
Er schüttelte erst Dorian, dann der ehemaligen Hexe die Hand.
Schließlich ging er zu seinem Auto zurück, winkte ihnen noch einmal zu und startete dann den Wagen. Sie warteten, bis er in die Rotenberggasse eingebogen war. Dann setzte sich auch Dorian ans Steuer und verließ den schaurigen Ort.
Auf der Fahrt zum Flughafen gab er Coco eine Schilderung der gestrigen Ereignisse. Sie hörte zu, ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen. Es traf sie tief, vom Tod einiger ihrer Geschwister zu erfahren, aber sie versuchte diesen Zwiespalt vor Dorian zu verbergen. Dennoch war sie immer noch hochgradig nervös, und je näher sie dem Flughafen kamen, desto schlimmer wurde es.
Dorian schüttelte den Kopf. »Weshalb bist du so unruhig, Coco?«
fragte er. »Erkennst du nicht, daß ich meine Meinung geändert habe?«
»Das ist es nicht«, sagte sie und starrte angespannt durch die Windschutzscheibe. Das war allerdings nur die halbe Wahrheit. Es gab tatsächlich noch etwas anderes, das sie bedrückte. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß meine Familie nichts mehr unternehmen wird.«
Dorian nickte zustimmend. Es war tatsächlich unwahrscheinlich, daß die Familie Zamis nicht noch einige Überraschungen auf Lager hatte. »Vielleicht sind ihnen die gestrigen Geschehnisse in die Knochen gefahren«, sagte er.
Coco schüttelte den Kopf. »Mein Vater wird außer sich vor Wut sein. Du kennst ihn nicht. Ich bin ganz sicher, daß er etwas Fürchterliches plant, gegen das wir uns nicht wehren können. Ich bin hilflos.
Ich habe alle meine Fähigkeiten verloren. Sollte er uns angreifen, gibt es keine Rettung.«
Unwillkürlich fuhr Dorian rascher. Sie rasten über den Ring und
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