002 - Der Safe mit dem Rätselschloß
aus: seine Worte wurden vielmehr mit tiefem Schweigen aufgenommen. Das war ein schlimmes Zeichen, und er sah sich nach der Gefahr um. Da vermißte er ein Gesicht.
»Wo ist denn unser Freund Goyle, unser lieber Wirt?« fragte er mit leiser Ironie.
»Er ist heute gar nicht dagewesen«, beeilte sich Bat zu antworten. Jimmy sah Connor an, der neben der Tür stand und an seinen Nägeln kaute; Connor wich seinem Blick aus.
»So!« Jimmys Gleichgültigkeit war eine vollkommene schauspielerische Leistung.
»Jimmy will, daß wir das Mädel freilassen.« Connor sprach hastig. »Er denkt, es wird Klamauk geben, und sein Freund, der Detektiv, denkt auch, es wird Klamauk geben.«
Jimmy hörte die lustig formulierte Beschuldigung an, ohne sich zu rühren. Wieder bemerkte er einigermaßen betroffen, daß Connors Worte, die doch gleichbedeutend waren mit der Beschuldigung des Verrats, ohne Widerrede hingenommen wurden.
»Nicht andere denken es, sondern ich denke es, Connor«, sagte er trocken.
»Das Mädchen muß freigelassen werden. Ich möchte Reales Geld genauso gern wie du, aber ich hab’ es mir in den Kopf gesetzt, daß es dabei ehrlich zugehen soll.«
»Soso, das hast du dir in den Kopf gesetzt!« höhnte Connor. Er hatte gesehen, daß die Schranktür hinter Jimmy sich ein klein wenig bewegt hatte.
Jimmy saß mit übergeschlagenen Beinen auf dem Stuhl, den sie ihm hingesetzt hatten. Der helle Überzieher, den er über seinem Abendanzug getragen hatte, lag auf seinen Knien. Connor wußte, daß der Augenblick gekommen war, und bemühte sich angestrengt, die Aufmerksamkeit seines einstigen Kameraden abzulenken; er hatte erraten, was Goyles Abwesenheit und die sich bewegende Schranktür bedeuteten. In seiner gegenwärtigen Lage war Jimmy gänzlich hilflos.
Connors Stimme erhob sich zu schneidender Höhe. »Du bist zu gescheit, Jimmy«, sagte er, »und es gefällt uns nicht, daß du soviel von › müssen ‹ redest. Wir sagen, das Mädel hat zu bleiben, und beim Henker, es ist uns Ernst damit!«
Jimmys Gedanken arbeiteten fieberhaft. Die Gefahr war ganz nahe, das fühlte er. Er mußte seine Taktik ändern; zu sehr hatte er sich auf Connors Angst vor ihm verlassen und nicht mit der »Stadtbande« gerechnet. Von welchem der Männer drohte Gefahr? Mit einem einzigen Blick umfaßte er ihre Gesichter. Er kannte sie - im Schlafe konnte er ihre schwarzen Geschichten aufsagen. Da bemerkte er einen Mantel, der am anderen Ende des Zimmers hing. Augenblicklich erkannte er das Kleidungsstück: Es gehörte Goyle. Wo war der Eigentümer? Er mußte Zeit gewinnen.
»Ich habe nicht die geringste Absicht, irgend jemandes Pläne umzustoßen«, sagte er gleichgültig und fing langsam an, einen seiner weißen Glacehandschuhe anzuziehen, als ob er aufbrechen wollte. »Ich bin gern bereit, eure Ansichten zu hören, aber ich möchte darauf aufmerksam machen, Connor, daß ich ebenfalls an der jungen Dame Interesse habe.«
Er blickte nachdenklich in den Handteller seiner behandschuhten Hand, als bewundere er den guten Sitz. Es war etwas so Eigentümliches an dieser anscheinend harmlosen Bewegung, daß Connor mit einem Fluch auffuhr.
»Schnell, Goyle!« brüllte er; aber Jimmy war schon aufgesprungen und lehnte sich mit dem Rücken an den Schrank; in der einen noch unbehandschuhten Hand hielt er einen Revolver. Mit einer Handbewegung wehrte er die Männer ab. »Ich will euch alle sehen«, befahl er; »verkriecht euch gefälligst nicht einer hinter den andern. Ich will wissen, was ihr vorhabt. Mach, daß du da von deinem Mantel fortkommst, Bat, oder ich schieß dir ‘ne Kugel durch den Bauch.«
Er stemmte sich gegen die Schranktür, um dem Gegendruck des Mannes zuvorzukommen, aber es schien, als hätte sich der Gefangene da drinnen mit der Lage der Dinge abgefunden, denn er rührte sich nicht.
»Da wundert ihr euch nun alle, wie ich das mit dem Schrank erfahren habe«, spottete er. Er hielt die behandschuhte Hand in die Höhe; irgend etwas im Handteller warf blitzend das Licht der Lampe zurück.
Connor begriff. Der in den Handschuh eingenähte winzige Spiegel war ein bekanntes Ausstattungsstück von Hochstaplern und Gaunern.
»Und jetzt, meine Herren«, sagte Jimmy mit spöttischem Lachen, »muß ich auf meinem Willen bestehen. Connor, willst du bitte die Dame hierher bringen, die du heute nachmittag entführt hast.«
Connor zögerte unschlüssig; dann fing er einen Blick von Bat Sands auf und verließ das Zimmer mit finsterem
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