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002 - Der Safe mit dem Rätselschloß

002 - Der Safe mit dem Rätselschloß

Titel: 002 - Der Safe mit dem Rätselschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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den geistesabwesenden Alten, und als ob ihm plötzlich zum Bewuß-sein käme, daß er beobachtet wurde, fuhr der alte George jäh empor und glotzte den anderen blinzelnd an. Dann stand er mühsam auf und stierte dem Fremden scharf ins Gesicht, ohne sein Brummeln zu lassen. »Ah«, sagte er, und man verstand jetzt, was er sprach, »ein Gentleman! Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, mein Herr, sehr erfreut, Sie kennenzulernen. Tempora mutantur, et nos mutamur in illis, aber Sie haben sich nicht verändert.«
    Und er verfiel wieder in sein Brummeln.
    »Ich habe ihn nie in meinem Leben gesehen«, sagte der Fremde, zu Connor gewandt.
    »Ach, der alte George bildet sich immer ein, daß er alle Leute kennt«, meinte Connor grinsend.
    »Ein Gentleman«, murmelte der Alte, »jeder Zoll ein Gentleman, und ein freigebiger Gönner dazu. Er hat sich ein Exemplar meines Buches gekauft - haben Sie es gelesen? Es heißt - mein Gott, jetzt habe ich vergessen, wie es heißt. Und er hat mich um Rat gefragt bei seinem -ach! - Anagramm…«
    »Was?« Das Gesicht des Fremden war leichenfahl; er packte Connor am Arm. »Hören Sie, hören Sie!« flüsterte er in wilder Erregung.
    Der Alte warf den Kopf zurück und starrte dem Fremden freundlich ins Gesicht.
    »Ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle«, sagte er mit rührender Unverfrorenheit. »Stets hat er mich › Herr Professor ‹ angeredet, was äußerst zartfühlend und gentlemanlike von ihm war.«
    Triumphierend zeigte er auf den Fremden.
    »Ich kenne Sie!« rief er mit schriller Stimme, und sein zerbrochenes Lachen hallte durchs Zimmer. »Spedding, so heißen Sie! Und Rechtsanwalt sind Sie. Ich hab’ Sie mit meinem Gönner im Wagen fahren sehen.«
    »Das Buch, das Buch!« keuchte Spedding. »Wie hieß Ihr Buch?«
    Die Stimme des alten George hatte ihren normalen Tonfall wieder, als er mit übertriebener Höflichkeit antwortete:
    »Gerade darauf, werter Herr, gerade darauf kann ich mich niemals besinnen.«

9
    Es gibt oberflächliche Kritiker, die über Scotland Yard lästern. Das sind natürlich ganz inoffizielle Kritiker, Verfasser von Geschichten, in denen Amateur-Detektive von unerhörtem Scharfsinn vorkommen, die mit größter Leichtigkeit die schwierigsten Geheimnisse enträtseln, welche der Polizei jahrelang zu schaffen gemacht haben. Tatsächlich ist Scotland Yard noch immer die großartigste Polizeiorganisation der Welt. Wer leichthin von »Polizei-Irrtümern« spricht, sollte eine merkwürdige Tatsache nicht vergessen: In den letzten Jahrzehnten konnte nur ein einziger, der unter der Anklage eines Kapitalverbrechens vor den Schranken von Old Bailey stand, dem gefürchteten Spruch des Gesetzes entwischen. Scotland Yard ist beharrlich in seiner Langsamkeit und furchtbar in seiner Treffsicherheit.
    Mr. Angel erhielt einen Brief in einer unordentlichen, ungebildeten Handschrift; unzusammenhängend, träne n-befleckt, jedes Wort von Anfang bis zu Ende unterstrichen. Er las den Brief, sah nach dem Datum des Poststempels und läutete.
    Der herbeieilende Bote fand ihn über einen Plan von London gebeugt. »Holen Sie aus dem Archiv E. B. 93«, sagte er, und nach fünf Minuten kam der Bote mit einer dicken Mappe zurück.
    Da gab es Zeitungsausschnitte und Stadtpläne und schreckliche Fotografien, wie sie die Welt draußen nie zu Gesicht bekommt, und da war auch ein kleiner, etikettierter Schlüssel. Angel ging die Mappe sorgfältig durch, dann las er noch einmal den Brief der Frau…
    Vinnis, der Mann mit dem totenbleichen Gesicht, hatte sein spätes Frühstück beendet und schlenderte nun, in der Tasche das vergnügliche Knistern neuer Banknoten, durch die Commercial Road im Osten Londons. An einer Kneipe lehnte ein Bekannter und begrüßte ihn mit einem kurzen Kopfnicken; ein schmutziges Mädchen, das Frühstück für ihren Liebhaber in der Schürze, drückte sich eng an die Mauer, da sie Vinnis zu ihrem Leidwesen kannte; ein strolchender Köter kroch zu ihm hin, als er einen Augenblick am Straßenrande stehenblieb, und bekam zum Lohn einen Fußtritt.
    Vinnis war durchaus nicht sentimental, aber obwohl das Geld in seiner Tasche vieles aufwog, beunruhigte ihn der Gedanke an den alten George und dessen törichtes Geschwätz.
    Jemand auf der anderen Seite der Straße erregte seine Aufmerksamkeit. Es war eine Frau, und er kannte sie sehr gut, deshalb übersah er ihr Winken. Zwei Tage zuvor hatte er sich über sie geärgert, und er hatte diese Gelegenheit benutzt, um kurzerhand das

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