002 - Flucht von Phönix
hinter sich wieder zu gleiten.
Es gab auf jeder Seite der Wand einen Leuchtstreifen, der ein wenig Licht spendete, so dass sie nicht ganz im Dunkeln kriechen mussten. Ein Stück vor sich sah Jerry Bernstein den Mann, der vor ihm in den Gang geklettert war.
Eine seltsame Mischung aus Angst, Nervosität und Faszination hatte sich des Reporters bemächtigt. Er fühlte sich wie in einem bizarren Traum gefangen.
Geheimgänge, Flucht vor der Polizei – alles war fast wie in einem schlechten Krimi. Noch vor wenigen Tagen hätte er viel dafür gegeben, an etwas Derartigem teilnehmen zu dürfen, um hinterher einen reißerischen Artikel darüber schreiben zu können.
Nun aber, da er kein Beobachter, sondern Betroffener war, verdrängte seine Angst das Gefühl der Romantik.
Sie legten eine Entfernung von fast hundert Metern zurück. Dann endete der Gang an einem Schacht, in dem eine Leiter in die Höhe führte. Hastig kletterten sie hinauf.
»Wo kommen wir heraus?«, erkundigte Bernstein sich.
»In einem Nebengebäude«, antwortete Vallon kurz angebunden. »Frag nicht soviel, sondern klettere lieber, sonst kommen wir nirgendwo mehr heraus.«
Jerry Bernstein beeilte sich, der Aufforderung nachzukommen. Er hatte die Drohung des Dealers verstanden.
Ungeschoren erreichte er das Ende der Leiter. Er befand sich in einem kleinen Raum. Die Männer, die ihnen vorausgeeilt waren, konnte er nirgendwo mehr entdecken.
Der Raum war völlig verdreckt. Die zerbrochenen, kaum noch erkennbaren Überreste alter Möbel lagen umher. Über allem lag eine dicke Staubschicht. Das Licht der Nachmittagssonne drang nur noch gedämpft durch die von Schmutz blinde Scheibe des einzigen Fensters. Es reichte gerade aus, die Fußspuren zu entdecken, die auf die Tür zuführten.
Mittlerweile war auch Pierre Vallon aus dem Schacht geklettert. Er schloss eine Klappe über der Öffnung und schichtete ein wenig Müll darüber, damit niemand zufällig den Geheimgang entdecken konnte. Die Fußspuren würden binnen weniger Tage von allein unkenntlich werden.
»Tür zu!«, befahl er. »Na los, oder willst du hier Wurzeln schlagen?«
Sie traten auf einen dämmerigen Flur hinaus. Auch hier hatte sich überall Staub abgelagert. Das Haus musste seit vielen Jahren leer stehen.
Bernstein wollte auf die Eingangstür zueilen, aber Vallon hielt ihn zurück.
»Da doch nicht, du Dummkopf. Ich sehe, du musst noch viel lernen. Da würdest du den Bullen genau in die Arme laufen. Hier lang.«
Er zerrte den Reporter mit sich durch einige Räume. Schließlich erreichten sie eine weitere Tür, diesmal am rückwärtigen Teil des Gebäudes. Von hier gelangten sie auf einen Hinterhof.
Nur am Rande registrierte Bernstein den Unrat, der sich auch hier überall stapelte. Noch nie zuvor in seinem Leben hatte er soviel Müll und Schmutz auf einem Haufen gesehen, wie in diesem Stadtviertel. Es schien eine ganz andere Welt zu sein, als die der sauberen und modernen City von Detroit.
Noch ein weiteres verfallenes Gebäude mussten sie durchqueren, dann traten sie auf einer Nebenstraße, mehrere hundert Meter vom Lucky Dreams entfernt, wieder ins Freie.
»Ich habe meinen Gleiter nicht weit von hier geparkt«, verkündete Vallon.
»So weit vom Lokal entfernt?«, wunderte sich Jerry Bernstein.
Der Dealer schüttelte mitleidvoll den Kopf.
»Wenn ich zum Lucky Dreams komme, werde ich ihn bestimmt nicht gerade vor der Tür abstellen. In meinem Geschäft muss man immer auf alles vorbereitet sein.
Warum gibt es wohl den Geheimgang, den kaum eine Handvoll Leute kennen? Auf seine Art ist das Lucky Dreams mit der Handelsabteilung von Mechanics Inc. zu vergleichen. Hier werden jeden Tag Waren im Wert von zig Millionen illegal umgesetzt. Hier wird mit knallharten Bandagen gekämpft, wir machen keine Abenteuerspielchen.«
Um sich nicht noch lächerlicher zu machen, schwieg Bernstein, bis sie den sportlichen Gleiter des Dealers erreicht hatten. Wenige Minuten später hatten sie das gefährliche Gebiet weit hinter sich gelassen.
*
Instinktiv griff Ken Randall zur Hüfte, um den Schocker zu packen, aber seine Hand berührte nur den zerrissenen Stoff seiner Hose.
Natürlich, die Bulowas hatten ihm die Waffe weggenommen. Er musste sich allein auf die Kampfkraft seines Körpers verlassen.
Ein Aufgeben kam jetzt, so nah vor dem Ziel, nicht in Frage. Genau genommen hatte es nie eine akzeptable Alternative dargestellt.
Randall wartete, bis die Halbkugel des Mondes wieder ganz durch
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