0020 - Die Rache der Medusa
versteinerte Tote veränderte sich nicht mehr weiter.
Nicole kam näher. Sie ging blaß und mit ungläubig geweiteten Augen um den zu Stein gewordenen Baschkin herum.
»Was hat das Scheusal aus diesem armen Menschen gemacht, Chef?«
Zamorra streifte die Silberkette wieder über seinen Kopf.
»Es ist die Art der Medusa, Menschen zu töten, Nicole«, sagte er seufzend.
»Eine gräßliche Art«, meinte Zamorras Sekretärin schaudernd.
»Es gibt keine humanen Dämonen, Nicole.«
»Ich wünschte, es würde überhaupt keine Dämonen geben, Chef.«
»Vielleicht werden wir dieses Ziel in Gemeinschaft mit all den anderen Dämonenjägern, die es auf unserer Welt gibt, erreichen, Nicole. Doch bis dahin ist es noch weit. Und es ist ein verdammt steiniger Weg, den wir zu beschreiten haben!«
Nicole wies mit zitternder Hand auf den Russen.
»Er sieht aus wie eine Marmorstatue. Was soll nun aus ihm werden? Übergeben wir ihn der Polizei?«
»Was soll die Polizei mit ihm?« fragte Zamorra zurück.
»Ich nehme an, man wird ihn im Kriminalmuseum aufstellen.«
»Dazu ist er zu schade.«
»Was haben Sie mit ihm vor, Chef?« fragte Nicole erschrocken.
»Wir nehmen ihn mit«, entschied der Professor.
»Mit?« fragte Nicole verblüfft. »Wohin?«
»In Mehmet Akbars Haus.«
»Er wird es nicht dulden!«
»Weshalb nicht? Von diesem steinernen Menschen droht ihm doch keinerlei Gefahr.«
»Was wollen Sie mit diesem Felsklotz denn anfangen, Chef?«
»Ich werde ihn untersuchen.«
»Was hätte das für einen Sinn? Er ist zu Stein geworden. Was gibt es daran zu untersuchen?«
In gewisser Hinsicht hatte Nicole Duval recht. Boris Baschkin war zu seinem eigenen Denkmal geworden. Er war innen wie außen aus hartem Stein. Und Stein sollte eben Stein sein.
Doch ganz so war es nicht.
Baschkin war immerhin noch vor wenigen Minuten ein ganz normaler Mensch gewesen. Vielleicht fanden sich noch Elemente des menschlichen Lebens in diesem Klotz, vielleicht konnte man sie aktivieren. Vielleicht konnte man den Russen noch einmal ins Leben zurückrufen. Es war jedenfalls einen Versuch wert.
»Wir können ihn doch gar nicht heben, Chef!« kam Nicole schon mit dem nächsten Einwand. »Er ist zwei Meter groß und bestimmt furchtbar schwer!«
»Wir werden es mit vereinten Kräften schaffen, Nicole! Wir müssen es schaffen!« forderte Zamorra verbissen.
Seine Sekretärin war mit ihrem Widerspruch noch nicht am Ende angelangt.
»Selbst wenn es uns gelingt, ihn aus dem Haus zu schaffen, Chef, in den kleinen Volkswagen bringen wir diesen steinernen Riesen nie!«
***
Nicole Duval sollte nicht recht behalten.
Zum ersten stellten sie fest, daß der große steinerne Baschkin innen hohl zu sein schien. Jedenfalls wog er um zwei Drittel weniger, als eine aus Granit gehauene Figur von dieser Größe hätte wiegen müssen.
Es war trotzdem eine Hundearbeit, den starren Körper aus dem Haus zu bringen, denn Zamorra hatte Angst, ihn aus Unvorsichtigkeit zu zerbrechen.
Und es war noch schlimmer, ihn hinterher im Volkswagen zu verstauen.
Doch wenn sich Professor Zamorra einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, dann ist er davon nicht so schnell wieder abzubringen.
Er war so erfinderisch wie seinerzeit Edison. Und er schaffte das Unmögliche.
Sie fuhren mit offenstehender Tür. Nicole hockte gekrümmt auf dem Wagenboden. Es wurde eine Fahrt, an die sie noch lange zurückdenken würde.
Akbar und Mireille waren noch nicht zu Hause. Das kam Zamorra sehr gelegen. Er wollte dem Hausherrn zwar nicht verheimlichen, daß er einen steinernen Gast bei ihm einquartiert hatte, doch er wollte ihn sozusagen vor die vollendete Tatsache stellen, anstatt vorher erst zu fragen, ob es gestattet sei und sich hinterher eine ablehnende Antwort zu holen.
Nicole Duval schuftete.
Sie leistete beinahe Übermenschliches.
Als sie den steinernen Russen endlich im Keller unten hatten, richtete sie sich seufzend auf. Mit schmerzlicher Miene spannte sie das überanstrengte Kreuz. Dann wischte sie sich den glitzernden Schweiß von der Stirn und ächzte: »Was für ein verrücktes Mädchen bin ich doch.«
»Verrückt? Wieso?« fragte Zamorra.
»Ich hätte in einem New-Yorker Elektronik-Konzern Chefsekretä- rin werden können. Außerdem hatte ich ein Angebot von Samuel Burton, dem Schauspieler, für ihn als Privatsekretärin zu arbeiten. Warum habe ich mich ausgerechnet für Sie entschieden, Chef? Können Sie mir das verraten?«
Zamorra lächelte.
»Sie nörgeln zwar recht
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