0021 - Anruf aus dem Jenseits
steckte die Beretta weg, trommelte mit den Fäusten gegen das Holz. Ein sinnloses Unterfangen, nur aus der reinen Panik geboren.
Die Wände rückten noch enger zusammen. Ich konnte sie bereits berühren, wenn ich nur die Arme ausstreckte. Dann rutschten meine Fingerspitzen über das rauhe Holz. Unwillkürlich begann ich zu rechnen, wie lange ich das noch aushalten konnte. Die Luft wurde zusammengedrückt, entwich aber irgendwo mit leichtem Pfeifen.
Die Stelle war unter mir.
Ich kniete am Boden, suchte nach einem Spalt, nahm dabei die Lampe zu Hilfe, arbeitete wie ein Wahnsinniger, und währenddessen rückten die Wände weiter auf mich zu.
Nur nach oben hin hatte ich Platz. Ich stand wieder auf, drehte mich im Kreis, trat einen halben Schritt zurück, spürte den Widerstand im Rücken und wurde nach vorn gepreßt… Mein Ende nahte…
Ich begann zu schreien. Rief um Hilfe, doch da war niemand, der mich hörte oder hören wollte. Auch nicht das Wesen, das meinen Fuß gepackt und mich in den Schiffsbauch gezogen hatte.
Sekunden noch, dann war alles vorbei.
Im letzten Augenblick entdeckte ich den Unhold, der sich in der Dunkelheit versteckt gehalten hatte. Eine Gestalt von zwergenhaftem Wuchs, mit einem überdurchschnittlich großen Kopf und Armen, die bald bis zum Boden reichten. Ich sah die Klauenhände und entdeckte das häßliche Lachen auf seinem Gesicht.
Dann drückte etwas gegen meine rechte Schulter, warf mich nach links, wo ich sofort Widerstand spürte. Die Gestalt verschwand, löste sich auf wie ein Nebelstreif in der Vormittagssonne.
Ich drehte mich um, zog meine Beine an, stemmte die Füße gegen die Wand, um den tödlichen Mechanismus zu stoppen. Meine Chance war gleich Null.
Ich konnte gegen die mörderische Kraft nichts ausrichten, mußte nachgeben, da sonst meine Gelenke zerdrückt wurden, rutschte zu Boden, wurde weiter vorgeschoben, spürte jetzt schon den Widerstand an meinen Knien, dann an den Schultern und plötzlich überall.
Noch ein letzter verzweifelter Atemzug, ein Schrei…
Jetzt mußten mich die Wände zermalmen.
***
In Bills Kopf tobten tausend kleine Teufel. Jedenfalls hatte der Reporter dieses Gefühl. Er öffnete die Augen und stellte fest, daß sein linkes verklebt war. Nur der rechte Augendeckel ließ sich heben.
Bill blinzelte.
Licht schien ihm in die Pupille. Obwohl es nicht grell war, schmerzte Bill die Helligkeit. Er schloß die Augen und versuchte trotz der bohrenden Kopfschmerzen, seine Gedanken zu ordnen.
Deutlich erinnerte er sich an die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit.
Er hatte auf einem Baum gesessen, um Sheilas Zimmer beobachten zu können, dann hatte er plötzlich den ungeheuren Schlag gegen die Schläfe gespürt, und aus war der Traum. Jetzt lag er hier. Aber wo?
Zum zweiten Mal öffnete Bill sein Auge. Diesmal ging es etwas besser. Sie mußten ihn in einen Keller geschafft haben. Oder war es eine Waschküche? Auf jeden Fall fielen Bill die gelben Kacheln an den Wänden auf. Gekachelt war auch der Boden, wie der Reporter mit einem Blick feststellte. Dabei bemerkte er, daß er ziemlich hoch lag. Höher als in einem Bett. Eine Trage! Du liegst auf einer Trage. Dann hatten sie ihn sicherlich in die Klinik geschafft, so folgerte Bill. Wie sollte es weitergehen? Er war gespannt, was man von ihm wollte.
Der Gedanke an Sheila kam automatisch. Und dabei wurde Bill von der Angst gepackt. Sheila befand sich auch in dieser verdammten Klinik. Sie war hoch in Umständen, und Bills Überzeugung wuchs, daß all die Dinge, die sich ereignet hatten, zu einem abgekarteten Spiel gehörten. Man wollte Sheila und ihn ausschalten. Und zwar auf eine grausame, heimtückische Art und Weise.
Doch ein Mann wie Bill Conolly gab nicht so leicht auf. Er war zwar angeschlagen, aber nicht geschlagen. Das würde diese verdammte Brut bald spüren.
Bill versuchte aufzustehen. Er schwang seine Beine nach rechts und kletterte von der Trage. Ziemlich wacklig stand er auf dem Boden. Jetzt fühlte er nach seiner Stirn. Das Blut war schon getrocknet und hatte eine Kruste gebildet. Hills Finger tastete über die lange Schramme an der Schläfe. Einen Zoll tiefer, und es hätte ihn gegeben.
Bill schüttelte die trüben Gedanken ab und begann damit, sein Gefängnis zu untersuchen. Alle vier Wände waren gekachelt. Nur dort, wo sich die Eisentür befand, hatte man die Kachelreihe unterbrochen.
Der Reporter besah sich die Tür. Da war nichts zu machen. Absolut ausbruchsicher.
Verloren
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