0021 - Anruf aus dem Jenseits
näherten sich. Sheila hörte ihre Stimmen. Die beiden Pfleger unterhielten sich und lachten dabei. Die Gestalt auf der Trage war nicht völlig zugedeckt. Der Kopf lag frei.
Jetzt passierten die Pfleger Sheilas Zimmertür. Die junge Frau konnte einen Blick auf den auf der Trage liegenden Mann werfen. Sie sah das Blut an seiner rechten Kopfhälfte und hatte das Gefühl, der Boden unter ihr würde sich auftun und sie verschlingen.
Der Mann auf der Trage war – Bill!
***
Plötzlich war ich nicht mehr allein. Vor mir – dicht unter der Decke – erschienen drei Gesichter. Zuerst sah ich nur Schemen, formlose Nebelgebilde, aber dann nahmen diese Geistererscheinungen Konturen an.
Drei Gesichter.
Von Männern!
Sie schwebten vor mir wie Ballons. Ich sah die Qualen auf ihren Gesichtszügen, bemerkte die Ansätze zu Hilferufen, schaute auf die Lippen, die sich öffneten und schlossen, und hatte das Gefühl, diese Gesichter würden lautlose Schreie ausstoßen.
Waren es Angstschreie?
Ich wollte fragen, doch die Gesichter kamen mir zuvor. Im Flüsterton setzten sie sich mit mir in Verbindung.
»Weißt du, wer wir sind?« erkundigten sie sich.
Ich nickte. Ja, ich konnte mir denken, daß ich hier die Gatten der drei Frauen vor mir hatte. Wayne, Manner und Ilford, so lauteten die Namen.
Ich sagte es ihnen.
»Du hast recht.« Ich erfuhr auch, welche Namen zu den Gesichtern paßten.
Ilford war wohl der Anführer. »Wer immer du auch bist, Fremder, wir danken dir, daß du zu uns gekommen bist. Vielleicht kannst du uns helfen.«
Ehe sie mir einen Vorschlag machen konnten, war ich an der Reihe. Schließlich brannten mir eine Menge Fragen auf der Seele, und auch Sukos Verschwinden wollte ich geklärt wissen.
»Wie ist es möglich, daß ihr in diesem Zustand dahinvegetiert?« fragte ich.
Ich erhielt zuerst ein deprimierendes Lachen zur Antwort. Ilford hatte es ausgestoßen. »Wir sind Gefangene, weil wir uns auf ihn verlassen haben.«
»Sprichst du von dem Seelenhändler?«
»Ja, so nennt er sich.«
»Ist er ein Dämon?«
Diese Frage wurde ebenfalls bejaht. »Ein sehr schlauer«, sagte Ilford. »Er hat sich dieser Welt hier angepaßt, und niemand weiß, wer sich hinter dieser Maske verbirgt.«
»Aber ihr seid doch zu ihm gegangen.«
»Da haben wir auch nur sein falsches Gesicht gesehen. Hier auf dem Schiff hauste er. Hier war sein Reich, und in diesem Verlies hat er uns in das verwandelt, was wir nun sind. Hätten wir doch nicht auf ihn gehört.« Der letzte Satz wurde qual- und vorwurfsvoll ausgestoßen.
»Erzähl mir, wie es dazu gekommen ist«, forderte ich.
»Er hat uns angesprochen. Mich in einem Pub, die anderen auf der Straße. Er hat gefragt, ob wir etwas Außergewöhnliches erleben wollten. Wir haben nicht nein gesagt, und als er uns versprach, wir würden Reichtum und Macht erlangen, da waren wir sofort Feuer und Flamme. Wir trafen uns auf diesem Schiff. Er erzählte vom Jenseits und von Welten, die in anderen Dimensionen lagen. Er berichtete so plastisch und ausführlich, daß wir zustimmten. Wie gesagt, wir sollten reich werden, doch zuvor mußten wir unsere Seelen verkaufen. Das war die einzige Bedingung. Wir haben nicht lange überlegt, sondern waren einverstanden. Seele verkaufen, wer von uns wußte schon, was wir uns damit antaten? Ich hatte zwar als Kind ein Märchen darüber gelesen, aber viel wußte ich über dieses Thema nicht zu erzählen. Oh, wir waren vom Reichtum geblendet, wir Narren – und wir stimmten zu.«
»Hat er euch Geld gegeben? Sind die Versprechen eingelöst worden?«
»Nein. Nach einer finsteren Beschwörung, deren Einzelheiten so grausam und schrecklich sind, daß ich sie gar nicht aufzählen kann, wurden wir entlassen. Ich sehe den Seelenhändler noch lächeln, als er sich von uns verabschiedete. Seine letzten Worte klingen mir noch in den Ohren. Asmodis wird sich freuen. Wir freuten uns damals genau drei Tage. Dann starben wir, und damit begann das Verhängnis. Wir gerieten nicht ins Jenseits, sondern wurden zu Wanderern zwischen den Welten. Wir gelangten in Reiche, deren Schrecken unermeßlich sind. Und überall waren wir die Ausgestoßenen. Niemand wollte uns haben. Wir erlitten Qualen, fanden keine Ruhe und bereuten alles. Dann gerieten wir an einen weisen Mann. Er nannte sich Myxin, und er unterbreitete uns einen Vorschlag.«
Ich horchte auf. Meine Erinnerung an Myxin war geteilt.
Suko und ich hatten ihn aus einem zehntausendjährigen Schlaf erweckt, damit er mit
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