0023 - Die Geistervögel
nicht gerade seine Tour hat?«
»Dann ja.« Der alte Kilrain ging wieder auf die Haustür zu.
»Aber mit Mike ist nicht viel los, das sagte ich Ihnen bereits. Wenn meine Frau nicht wäre, also, ich hätte ihn schon längst vom Hof gejagt.«
»Ohne ihm eine Chance zu geben?«
Kilrain lachte bitter. »Was meinen Sie, wie viele Chancen der Junge schon bekommen hat? Keine hat er genutzt. Keine.«
Schwer ließ sich Kilrain auf einen Stuhl fallen.
»Wovon leben Sie?« fragte ich, zog mir ebenfalls einen Stuhl heran und setzte mich dem Alten gegenüber.
Kilrain begann seine Pfeife zu stopfen. »Von der Viehzucht leben wir. Wir haben einige Rinder auf den Weiden. Die garantieren uns ein gutes Auskommen.« Er zündete den Tabak an. »Was will man mehr?«
»Und Sie machen die Arbeit allein?«
»Nein, ich habe noch zwei Gehilfen. Aber denen habe ich Urlaub gegeben. Ich wollte sie nicht in die scheußliche Sache mit hineinziehen. Wenn ihnen etwas passiert wäre, hätte ich mir mein Leben lang Vorwürfe gemacht.« Plötzlich zogen sich die Augen des Mannes zusammen. Sein Blick war auf das Schrotgewehr gefallen, das in der Ecke lehnte.
Seiner berechtigten Frage kam ich zuvor. »Ich habe das Gewehr in meinem Zimmer entdeckt.«
»Aber das ist doch Mikes…«
»Es gehört Ihrem Sohn?«
»Ja. Der hütet den Schießprügel wie seinen Augapfel. Normalerweise gibt er den niemals aus der Hand. Und in Ihrem Zimmer stand die Donnerbüchse?«
»Wenn ich es Ihnen sage.«
»Verstehe ich nicht. Aber ich werde den Burschen fragen. Jetzt sofort.«
Er wollte aufstehen, doch ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Lassen Sie, das hat Zeit. Für uns gibt es wichtigere Dinge zu besprechen.«
»Wie Sie meinen.«
»Sie kennen Ihre Mitbürger hier im Dorf ziemlich genau, wie ich annehme. Sind die Menschen unter Umständen bereit, mit uns zusammenzuarbeiten?«
Patrick Kilrain wiegte den Kopf. »Das wird schwierig sein, Mr. Sinclair.«
Ich lächelte. »Bisher war ich der Meinung, daß Iren sich durch nichts so leicht erschüttern lassen.«
»Lassen wir uns auch nicht. Von den alten Spukgeschichten sollte man besser die Finger wegnehmen, sonst verbrennt man sie sich noch. Und was die Invasion der Vögel angeht, da stehe ich mit meiner Meinung so ziemlich allein. Seit ich die Polizei eingeschaltet habe, wollen die Menschen nichts mehr mit mir zu tun haben. Sie glauben, ich habe mich da in etwas hineingesteigert, bei dem ich den Überblick verliere. Aber das hier ist meine Heimat, Mr. Sinclair. Und so leicht lasse ich mich nicht vertreiben. Ich werde kämpfen.«
»Demnach stehen wir allein«, sagte ich. »Sieht so aus.«
Suko kam die Treppe herunter. »Wenn ich meinen inneren Wecker nicht eingestellt hätte, hättest du mich bis zum anderen Morgen schlafen lassen.« Er sah das Gewehr und hob die schmalen Augenbrauen. »Hast du dich schon bewaffnet, John?«
»Ich fand es in meinem Zimmer.«
»Aha.« Suko setzte sich. »Sollen wir uns heute schon auf den Weg zu diesem Berg machen?«
»Nein.«
Patrick Kilrain protestierte noch lauter. »Um Himmels willen, nur das nicht! Die Dunkelheit wird Sie überraschen, und dann sind Sie verloren.« Er saugte hastig an seiner Pfeife. »Bei Tageslicht ist das Unternehmen schon gefährlich, in der Nacht aber wird es zu einem tödlichen Risiko.«
»Das hatte ich mir auch gedacht«, erwiderte ich.
Mrs. Kilrain betrat den Raum. Zwischen Tür und Tisch blieb sie stehen. »Ich mache mir Sorgen um George«, sagte sie. »Er hätte schon längst hier sein müssen.«
»Ruf doch mal bei den O’Neills an«, schlug Patrick Kilrain vor.
»Nein.« Mrs. Kilrain verzog das Gesicht. »Du weißt doch, wie komisch die geworden sind, seitdem du…«
»Da haben Sie’s«, sagte der alte Kilrain zu mir. »Früher verstanden wir uns prächtig mit den O’Neills. Aber seit das mit den Geistervögeln passiert ist, zeigen sie uns die kalte Schulter. Und das wird mal Verwandtschaft.«
»Trotzdem sollten Sie anrufen, Mr. Kilrain«, sagte ich leise.
»Okay.« Das schwarze Telefon stand auf einem Wandbord.
Patrick Kilrain nahm den Hörer ab und wählte. Er bekam auch Verbindung, stellte seine Frage, lauschte und legte den Hörer dann kopfschüttelnd wieder auf.
»Was ist?« Mrs. Kilrain schaute ihren Mann ängstlich an.
Der hob die Schultern. »Sie sind nicht da.«
Mrs. Kilrain preßte ihre Hände gegen den wogenden Busen. »O Gott, da ist etwas passiert.«
Ich lächelte beruhigend. »Sie dürfen nicht so
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