0025 - Das Geheimnis des Spiegels
Seuche hatte es auf ihn übergegriffen. Er trug den verderblichen Keim bereits in sich. Er war es, der in seinem Kopf diese schrecklichen Schmerzen hervorrief.
Gepeinigt rollte Yahan über den Boden. Er bäumte sich auf. Gutturale Laute kamen aus seiner Kehle. Kalter Schweiß brach ihm aus allen Poren. Sein Gesicht verfärbte sich.
Es wurde grau und grobporig und erstarrte. Das Haar fiel von seinem Kopf. Aus der Schädeldecke krochen kleine züngelnde Schlangen. Mehr, immer mehr wurden es.
Bis der gesamte Schädel von diesem kriechenden Gewürm bedeckt war…
Aus Yahan war ein Ebenbild des Dämons geworden!
***
John Sinclair konnte lange Zeit nicht einschlafen. Das Erlebnis, das auf dem Flughafen begonnen hatte, hatte ihm unmißverständlich gezeigt, daß die gesamte Dämonenbrut vor ihm gewarnt war.
Der Schwarze Tod, Asmodis’ rechte Hand, schien eine weltumspannende Informationsarbeit geleistet zu haben. Von nun an mußte der Geisterjäger mehr denn je auf der Hut sein.
Denn überall auf der Welt gab es Dämonen, die ihn erkennen und attackieren konnten, wie es hier in Kalkutta geschehen war. John drehte sich auf die andere Seite.
Er seufzte tief. Sein Kampf gegen die Ausgeburten der Holle wurden immer härter. Der Schwarze Tod hatte schon einmal zum Großangriff gegen ihn geblasen, und John hatte große Mühe gehabt, dabei über die Runden zu kommen.
Danach war es zwar nicht still geworden, aber der Kampf hatte sich auf andere Ebenen verlagert. Trotzdem war das keine Garantie dafür, daß der Schwarze Tod sich nicht bald wieder zu einer neuen Großoffensive entschloß.
Johns Gedanken kehrten zu Janus zurück. Er hätte nicht gedacht, daß ihm dieser Dämon noch mal so viel Schwierigkeiten machen würde.
Morgen! dachte John. Morgen werde ich die Spur bis an ihr Ende verfolgt haben, und dann werde ich Janus den Rest geben.
Mit diesem Gedanken schlief er ein.
Er ahnte nicht, wieviel Ärger er mit dem Dämon noch bekommen sollte…
***
Yahan lag immer noch in jenem finsteren Winkel nahe dem Tempel der Kali. Die Schmerzen ebbten langsam ab. Er merkte, wie Kraft in seine ausgemergelten Glieder kam. Die Erinnerung an Janus hatte ihren Schrecken verloren. Yahan wußte, daß er jetzt so aussah wie der Dämon, und das erfüllte ihn mit wahrer Begeisterung.
Die dämonische Zelle, die in ihm aufgegangen war, durchpulste ihn mit der Kraft der Hölle. Angst. Schmerz. Das gab es nicht mehr für ihn. Er brauchte niemanden mehr zu fürchten.
»Ihn! Jawohl, ihn hatten die Menschen nunmehr zu fürchten.« Yahan erhob sich. Seine Bewegungen waren geschmeidig. Er konnte besser hören. Und er konnte in der Dunkelheit besser sehen.
Er hatte den Wunsch, die neu gewonnene Macht an irgend jemanden auszuprobieren. Janus, von dem ein Teil in ihm steckte, sandte ihn aus, um seine Kraft an seinen Mitmenschen zu messen.
Das Böse in Yahan gab ihm einen bestimmten Auftrag, den er sofort ausführen wollte. Er blickte sich um. Niemand kam die schmale Gasse entlang. Und dabei hätte er es so sehr begrüßt, wenn ihm jetzt jemand über den Weg gelaufen wäre.
Er drehte den Kopf wieder um hundertachtzig Grad. Der Januskopf verschwand. Yahan war sich der Tatsache bewußt, daß er mit diesem zweiten Gesicht eine Waffe besaß, gegen die seine Mitmenschen nichts ausrichten konnten.
Er wußte aber auch, daß er nur ein winziger Teil von Janus war. Das Zentrum des Bösen befand sich in Nadir.
Yahan durchschlich die Straßen des Stadtteils Alipore. Plötzlich tauchten an der nächsten Ecke zwei Gestalten auf. Sie trugen lange, wallende Gewänder, hatten kahlgeschorene Kopfe und liefen barfuß.
Buddhistische Bettelmönche. Yahan zog sich hastig in eine dunkle Mauernische zurück und wartete. Seine ahnungslosen Opfer kamen ohne Eile näher. Sie redeten miteinander.
Yahan grinste. Der Keim des Bösen war mittlerweile so groß in ihm geworden, daß er davon etwas an die beiden Mönche abgeben konnte, ohne selbst viel von seiner Substanz zu verlieren.
Auf diese Weise würde sich der Dämon Janus zwei weitere Male vermehren. Eine ganze Janus-Armee konnte so entstehen. Eine Armee, deren Oberhaupt Nadir sein würde.
Die Mönche hatten die Nische, in der sich Yahan verbarg, schon fast erreicht. Er konnte bereits ihre Schatten sehen. Einen winzigen Moment wartete er noch. Dann sprang er blitzschnell aus der Dunkelheit heraus.
Die Buddhisten blieben erschrocken stehen. Yahans Kopf wirbelte herum. Er bot den Mönchen das Janus-Gesicht dar.
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