0025 - Das Geheimnis des Spiegels
neugierig.«
»Ich kann Ihre Neugierde schnell befriedigen«, erwiderte John. »Ich hatte vor geraumer Zeit eine Auseinandersetzung mit einem Dämon namens Janus. Der Bursche hatte es sich in den Kopf gesetzt, seine Dienste als Killer einer Londoner Gangsterbande anzubieten. Als Gegenleistung dafür verlangte er von diesen Leuten mein Leben. Die Sache klappte zum Glück nicht so, wie Janus sie sich ausgedacht hatte. Ich geriet schließlich direkt an den Dämonen mit den zwei Gesichtern…«
»Er hatte tatsächlich zwei Gesichter?« fragte Earl Baxter verblüfft dazwischen.
»Ja, das hatte er. Das eine war ein normales, harmloses Menschengesicht. Das andere hingegen war eine grauenvolle Fratze. Jeder, der sie anschaute, war des Todes…«
»Wie bei der Medusa?« fragte Baxter.
»So ähnlich. Nur wurde das Opfer des Janus nicht zu Stein, sondern verlor das Gesicht«, erklärte John. »Als ich diesem Dämon gegenübertrat, wußte ich, daß ich ihn unter keinen Umständen ansehen durfte. Mir fielen die Parallelen zur Medusa ein, und ich riß einen Spiegel von der Wand, um ihn dem Dämon vorzuhalten. Die Wirkung war so, wie ich sie mir erhofft hatte. Janus konnte seinen eigenen Anblick nicht verkraften. Die vernichtende Kraft des Bösen, die er aussandte, wandte sich gegen ihn. Er zerfiel und löste sich auf.«
Earl Baxter atmete erleichtert auf. »Haben Sie immer mit solchen gefährlichen Wesen zu tun, Oberinspektor?«
»Meistens. Genau wie Ballard.«
Baxter blickte von Ballard zu Sinclair. »Das ist ja beklemmend. Und es ist verwunderlich, daß Sie beide immer noch am Leben sind.«
Tony grinste spitzbübisch. »Wir geben uns die größte Mühe, am Leben zu bleiben, Earl.«
»Darf ich weitererzählen?« fragte John ernst.
»Oh, Sie sind noch nicht fertig?« staunte Baxter. »Ich dachte, Ihre Geschichte hätte ein Happy-End.«
John nickte mit grimmiger Miene. »Das dachte ich auch. Als der Dämon verging, glaubte ich, die Sache wäre gelaufen. Aber es war ein Irrtum.«
»Wieso? Sie hatten Janus doch vernichtet?« fragte Baxter.
»Leider nein.«
»Das verstehe ich nicht. Sie sagten doch eben, er löste sich auf.«
»Sein Körper löste sich auf«, erklärte John Sinclair. »Aber sein Geist ist gefährlicher als sein Körper. Und den konnte ich nicht vernichten.«
»Was geschah mit ihm?«
»Er versteckte sich in jenem Spiegel, den ich in meinen Händen hielt.«
»Wie kamen Sie da drauf?« erkundigte sich der Schriftsteller.
»Ich las in einem Buch, daß die Medusa mal zu einem solchen Trick gegriffen hatte. Als keiner damit rechnete, kam sie wieder aus dem Spiegel und nahm sich einen Wirtskörper. Dann begann Sie ihr verfluchtes Treiben wieder.«
»Und Sie meinen, dasselbe könnte auch der Janus tun?«
»Ich bin sicher.«
»Dann sollten Sie sich um den Spiegel kümmern.«
»Das tu’ ich gerade.«
Earl Baxters Augen wurden groß. »He, Mann, reden Sie etwa von dem Spiegel, den ich in London gekauft habe?«
John nickte. »So ist es, Mr. Baxter. Ich wollte den Spiegel zerstören, aber er war nicht mehr da, wo ich ihn vermutete. Ich verfolgte seinen Weg. Er war über eine Auktion an einen Antiquitätenhändler namens Allan Barbazon gelangt…«
Baxters Rücken straffte sich. Er saß jetzt so gerade, als hätte er einen Besenstiel verschluckt. »Sie sind dem Spiegel also nachgereist, um ihn zu zertrümmern, wenn ich Sie recht verstehe, Oberinspektor.«
»Es muß sein.«
»Tut mir leid, aber das werde ich Ihnen verwehren.«
John wurde todernst. »Mr. Baxter, es wäre ein großer Fehler, sich schützend vor diesen Spiegel zu stellen. Lebensgefährlich wäre das!« sagte er eindringlich.
»Ich habe ihn nicht gekauft, damit Sie ihn mir kaputtschlagen, Oberinspektor!«
»Sagen Sie mir, was Sie dafür bezahlt haben. Sie kriegen das Geld von mir wieder.«
»Mir geht es nicht ums Geld. Mir geht es um das dekorative Stück, das in meinem Haus bereits seinen Stammplatz gefunden hat. Sollte sich tatsächlich ein Dämon in ihm verbergen, was ich bezweifle, dann versuchen Sie ihn auf irgendeine Weise daraus zu vertreiben.«
»Ich fürchte, das wird sich nicht machen lassen.«
»Haben Sie überhaupt Beweise, daß Janus sich in meinem Spiegel befindet?«
»Nun, die Frau des Antiquitätenhändlers wurde von diesem Spiegel in seinen Bann geschlagen. Sie sagte zu ihrem Mann, sie müssen den Meister befreien. Damit hatte sie Janus gemeint. Als Allan Barbazon dies nicht zuließ, wandte sich seine Frau gegen ihn.
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