0026 - Die Braut des Henkers
sauberen und gepflegten Eindruck.
Dieses bestätigte sich auch, als Zamorra mit seiner Assistentin das Innere betrat. Die Gaststube war aufgeräumt und wirkte im Halbdunkel – die kleinen Fenster ließen nicht allzu viel Tageslicht hereinfallen – anheimelnd und gemütlich.
Es befand sich niemand im Raum. Durch eine offene Tür hinter der Theke drang Tellerklappern in den Gastraum. Vom Wirt oder einem Kellner keine Spur.
Zamorra trat an die Theke.
»He, hallo, Wirtschaft!«, rief er laut. Nichts rührte sich. Er wiederholte seinen Ruf. »He, hallo, Wirtschaft! Bedienung!«
Das Tellerklappern verstummte für einen Moment. Eine männliche Stimme ertönte. »Moment!«
Schlurfende Schritte näherten sich der offenen Tür. Ein mittelgroßer Mann mit einem recht beträchtlichen Leibesumfang erschien.
»Womit kann ich dienen, Sir?«
Zamorra machte ein unwilliges Gesicht. »Dauert das bei Ihnen immer so lange? Wir möchten erst einmal ein üppiges Frühstück, und dann sagen Sie uns, ob wir bei Ihnen ein Zimmer haben können.«
Mit einem Seitenblick auf Nicole verbesserte sich der Professor.
»Das heißt – zwei Zimmer.«
Der Mann in der Tür wischte sich die Hände an seiner Schürze ab.
»Sicher doch. Können Sie alles haben. Frühstück wird sofort erledigt. Wenn Sie was brauchen, rufen Sie einfach nach Sam. Das bin ich.«
Stolz warf sich der Dicke in die Brust. »Das Gepäck versorge ich schon. Darum brauchen Sie sich nicht zu kümmern. Müssen schon entschuldigen, dass es ein bisschen gedauert hat. So früh am Tag rechnen wir nämlich nicht mit Gästen. Die kommen meistens immer gegen Mittag von Liverpool, um sich hier umzusehen. Und dann auch nur bei gutem Wetter. Darf ich fragen, was Sie hierher führt, Sir?«
Zamorra musste innerlich lachen. Der Mann schien nicht viel Unterhaltung zu haben. Jedenfalls stellte er sich an, als hätte er seit Wochen keinen Ton mehr hervorgebracht und als wäre er überglücklich, endlich einen geduldigen Zuhörer gefunden zu haben.
»Ich habe in der Zeitung von diesem schrecklichen Ereignis gelesen. Ich wollte deshalb einige Nachforschungen anstellen. Vielleicht können sogar Sie mir weiterhelfen.«
Sam, der Wirt, nickte. »Bestimmt kann ich das. Es war der Sohn vom alten McPeters. Ihn hat man gefunden.«
Zamorra unterbrach den Mann. »Das weiß ich bereits. Können Sie mir sagen, was es mit diesem sonderbaren Henkerbeil auf sich hat? Der Schiffer, der uns hergebracht hat, berichtete darüber.«
»Ach das Beil.« Sam winkte ab. »Ich glaube da nicht so recht dran. Es soll angeblich immer verschwinden, wenn wieder einer gefunden wird. Halte ich für ausgemachten Blödsinn. Aber fragen Sie doch unseren Priester. Die Kirche ist nicht weit von hier. Er müsste Ihnen mehr darüber sagen können, denn in seiner Kirche hängt das alte Henkerbeil.«
Zamorra nickte dankend. »Das werden wir auch gleich tun. Das Gepäck können Sie ja einstweilen schon auf die Zimmer bringen. Frühstücken können wir nachher immer noch.«
Mit diesen Worten näherte er sich der Tür. Nicole war schon vorausgegangen. Sie legte die Hand auf die Klinke, drückte sie herunter und schob die Tür auf.
Zamorras Kopf ruckte hoch, als sie leise aufschrie.
In der Tür stand ein junger Mann, etwa dreiundzwanzig Jahre alt, und starrte sie hasserfüllt an. Ein inneres Feuer schien in seinen Augen zu glühen.
Nicole verharrte stocksteif und wagte kaum, sich zu rühren. Wie ein von der Schlange belauertes Wild.
Zamorra raffte sich auf. Er machte einige schnelle Schritte auf die Tür zu. Blitzartig drehte der junge Mann sich um und verschwand.
Als Zamorra vor dem Haus stand, sah er ihn eilig davonrennen.
Der Professor kehrte in die Gaststube zurück.
»Wer war das?«, fragte er den Wirt.
Dieser hatte auf einmal emsig zu tun. Er wagte nicht aufzuschauen. Mit gesenktem Kopf murmelte er: »Das? Das war Richard, ein Waise, der im Wald vor dem Dorf lebt. Sie sollten ihn besser in Ruhe lassen, Sir. Er hat den bösen Blick.«
***
Der Pfarrer David Cornell saß in seiner Studierzelle und arbeitete eine neue Predigt für die Messfeier am nächsten Sonntag aus.
Es war eine arme Gemeinde, die er hier zu versorgen hatte. Das Haus, in dem er wohnte, hatte schon Generationen von Geistlichen vor ihm als Unterkunft gedient. Er versuchte sich vorzustellen, wie viele Amtsbrüder schon hier auf diesem reichlich unbequemen Stuhl gehockt und gearbeitet hatten.
David Cornell wurde durch ein ungewohntes Geräusch aus
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