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0026 - Die Braut des Henkers

0026 - Die Braut des Henkers

Titel: 0026 - Die Braut des Henkers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kubiak
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seinen Überlegungen gerissen. Das Arbeitszimmer befand sich im ersten Stock, und das Geräusch war von unten gekommen.
    Aufmerksam lauschte der Geistliche. Es musste ein Fremder sein, denn erstens hatte er keine Haushälterin, sein schmales Gehalt ließ das nicht zu, und zweitens würden die Leute aus dem Dorf nie in ein fremdes Haus eindringen, ohne sich vorher bemerkbar zu machen. Schon gar nicht in das Haus des Dorfgeistlichen.
    Da, jetzt erklang das Geräusch wieder.
    Es war ein Scharren, Schlurfen, so als würde jemand unter Vermeidung unnötiger und verdächtiger Laute durch die Räume schleichen.
    Der Priester erhob sich langsam. Leise ging er zur Tür. Er öffnete sie ein Stück und blickte hinaus auf den Gang.
    Jetzt konnte er es deutlich vernehmen. Das Geräusch kam tatsächlich von unten. Dort musste jemand herumschleichen. Aber wer?
    Er wollte sich sofort davon vergewissern. Entschlossen trat er hinaus auf den Gang und huschte auf die Treppe zu. Sie war aus Stein.
    Deshalb verursachte er auch keinen Laut, als er hinunterlief.
    Unten angekommen orientierte er sich.
    Da, da hinten in dem Raum musste sich der Eindringling befinden.
    Es war der Wohnraum der Priesterwohnung.
    David Cornell stieß die Tür auf. Doch er sah niemanden. Verdutzt betrat er das Zimmer. Nichts. Hier schien tatsächlich keiner zu sein.
    Sollte er sich vielleicht verhört haben?
    Ein zischendes Ausatmen hinter seinem Rücken ließ ihn zusammenzucken.
    »Was soll das? Wer…«
    Er brachte den Satz nicht mehr heraus. Ein Arm legte sich stahlhart um seine Kehle und drückte ihm die Luft ab. Augenblicklich sah der Geistliche feurige Ringe vor seinen Augen tanzen.
    Ein Gurgeln drang aus seinem halb geöffneten Mund. Verzweifelt versuchte er, sich aus der Umklammerung zu befreien. Vergeblich zerrte er an dem Arm, der seine Kehle zusammendrückte.
    Eine Stimme zischte ihm ins Ohr. »Halt dich ruhig. Einen Laut, und du wirst kaltgemacht! Ich passe auf. Also keine Dummheiten. Keine Tricks!«
    Der Druck auf der Kehle des Priesters lockerte sich. Pfeifend strömte Luft in die Lungen des Mannes. Es dauerte einen Moment, bis er wieder alles klar erkennen konnte.
    Vor ihm stand in lauernder Haltung ein junger Mann. Seine Haare waren schwarz und hingen ihm fast bis auf die Schultern. In dem hageren Gesicht mit der Geiernase glühten ein Paar dämonenhafte Augen.
    Als David Cornell in diese Augen schaute, überlief es ihn eiskalt.
    Eine unausgesprochene Drohung ging von ihnen aus. Er hatte Derartiges noch nie erlebt.
    Verwirrt senkte er den Blick.
    »Na, du Seelenhirte, erkennst du mich nicht? Die Leute hier in diesem jämmerlichen Dorf haben doch eine Heidenangst vor mir. Man sagt doch, dass ich den bösen Blick hätte. Da haben sie gar nicht so Unrecht. Ich habe schon mehr als einen mit meinem Blick verhext.«
    Jetzt begriff David Cornell, wer da vor ihm stand. Es war Richard, dieser junge Mann, der in einer Waldhütte vor dem Dorf hauste.
    Niemand wusste, woher er kam. Verwandte im Dorf hatte er nicht.
    Er schien völlig fremd zu sein. Und doch hatte ein jeder, der ihn sah, das Gefühl, ihn schon lange zu kennen. Er gehörte zum Dorf wie die uralte Eiche in der Nähe der Kirche. Sonderbare Gerüchte gingen auch über diesen Baum um. Hier sollte mal einer aufgehängt worden sein.
    Doch diese Legenden entbehren ja meist jeder Wahrheit.
    »Was wollen Sie hier? Haben Sie es auf mein Geld abgesehen? Da werden Sie nicht viel Glück haben, denn viel habe ich selbst nicht.«
    Der junge Mann lachte. »Geld. Ist das alles, woran ihr denken könnt, wenn es euch anscheinend an den Kragen geht? Nein, Geld brauche ich nicht. Ich wollte dich nur warnen. Jeden Augenblick bekommst du Besuch. Ein Mann und eine Frau, Fremde, kommen und wollen dir einige Fragen stellen. Fragen zu dem alten Henkerbeil in der Kirche. Der Mann will auch etwas über den Sohn vom alten McPeters wissen. Und jetzt kommt meine Warnung: Wehe, du sagst etwas darüber. Du kennst das Henkerbeil nicht und weißt auch nichts von der Leiche am Strand, verstanden? Wenn du nicht gehorchst, dann soll es dir und deinen Schäfchen schlecht ergehen.«
    Die Augen bekamen einen befehlenden Ausdruck. Der Priester wand sich geradezu unter diesem Blick. Er wollte etwas erwidern, doch er brachte kein Wort über die Lippen. Ohnmächtig nickte er zum Zeichen, dass er verstanden hatte.
    »Und wenn ich jetzt gehe, dann hast du alles vergessen, dann kannst du dich nicht mehr erinnern, dass ich hier gewesen bin.

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