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0027 - Die Grotte der Gerippe

0027 - Die Grotte der Gerippe

Titel: 0027 - Die Grotte der Gerippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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Freundchen!« fauchte er. »Du wirst mich jetzt sofort aus diesem Loch herausführen, oder es geht dir dreckig. Ich bin nicht zu Scherzen aufgelegt, ich…«
    »Der Fluch Tukákames ist kein Scherz«, sagte der Alte ruhig.
    »Jahrtausende warteten die Götter der Azteken auf ihre Stunde. Tukákame wird der erste sein, und du bist bestimmt…«
    »Den Teufel bin ich! Du bringst mich jetzt hier heraus, oder…«
    Jacahiro blieb immer noch ruhig. Nur das fanatische Funkeln in seinen Augen strafte seine Gelassenheit Lügen.
    »Das kann ich nicht«, sagte er mit lauter werdender Stimme. »Ich gehorche den Befehlen Tukákames, dessen Sklave ich bin. Meine Aufgabe war es, dich in die Höhle der Schlangen zu führen, Americano. Ich habe es getan, ich werde sterben und in das Reich der Finsternis wandern.«
    »Du wirst schneller sterben, als dir lieb ist, wenn du nicht sofort…«
    Bill stockte.
    Ganz deutlich hatte er das jähe, drohende Zischen gehört. Sein Blick zuckte nach links – und fiel auf den flachen, häßlichen Vipernkopf, der aus dem Schatten zwischen den Stalagmiten auftauchte.
    Lautlos glitt die Schlange aus ihrem Versteck über den Höhlenboden.
    Eine gefiederte Schlange!
    Ganz deutlich sah Bill die sechs kleinen, verkümmerten Schwingenpaare, sah die leuchtend roten Federn – und die Erkenntnis, daß er hier ein Tier vor Augen hatte, das es eigentlich gar nicht geben konnte, traf ihn mit der Wucht eines jähen Stromstoßes.
    Er schloß die Lider, blinzelte heftig.
    Aber das Bild verschwand nicht. Die gefiederte Schlange war da, kroch näher, hob züngelnd ihren häßlichen Kopf – und aus einem anderen Winkel wand sich mit der gleichen Lautlosigkeit ein ähnliches Exemplar.
    Die ganze Höhle schien plötzlich lebendig zu werden.
    Überall erhoben sich die häßlichen grünen Schädel, überall wanden sich geschmeidige Schlangenleiber und leuchtete rotes Gefieder.
    Das leise Zischen erfüllte die Luft wie ein seltsamer Gesang. Bill wagte sich nicht zu rühren, und die Furcht preßte sein Herz wie eine kalte Faust zusammen.
    Vor ihm verneigte sich Jacahiro in einer Geste stummer Ehrfurcht.
    Der alte Indio schien den gräßlichen Anblick erwartet zu haben. Er lächelte, als er sich umwandte und Bill die Fackel reichte.
    Der Amerikaner nahm sie mechanisch entgegen. Seine Faust umklammerte den Griff. Innerlich hämmerte er sich ein, daß Schlangen das Feuer fürchteten, und das half ihm, das Grauen zu beherrschen, das kalt durch seine Adern pulste.
    Er starrte den Indio an, der ihm wieder den Rücken gewandt hatte.
    Wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen setzte sich Jacahiro in Bewegung. Langsam, mit gemessenen Schritten ging er vorwärts, direkt auf die Schlangen zu. Vier, fünf der widerlichen Tiere richteten sich vor ihm auf. Ihre Leiber wiegten sich, tanzten, ihr Zischen hatte einen seltsamen, monotonen Rhythmus. Dicht vor der lebenden Mauer aus Schlangenleibern blieb der Indio stehen und sank in die Knie.
    Was dann kam, ging so schnell, daß Bill Fleming nicht die geringste Chance hatte, einzugreifen.
    Der Indio streckte die Arme aus.
    Blitzartig fuhren die Schlangenköpfe nieder. Alle fünf Vipern schlugen ihre Zähne gleichzeitig in Jacahiros Fleisch, zuckten zurück – und waren Sekunden später wie Schatten zwischen den schimmernden Stalagmiten verschwunden.
    Der Indio schwankte.
    Mit drei Schritten war Bill Fleming heran, wollte den alten Mann stützen, ihm helfen – aber etwas wie eine unsichtbare Mauer hielt ihn zurück. Zwei Yard von Jacahiro entfernt stand er starr da, unfähig, sich zu rühren, und beobachtete mit entsetzten Augen den Todeskampf des Indios.
    Jacahiros Oberkörper wiegte sich hin und her.
    Er blickte ins Leere. Seine Lippen bewegten sich, murmelten Worte in einer Sprache, die Bill Fleming nicht verstand. Lauter wurde die Stimme, beschwörender – und dann, wie ein Schrei, brach über die bebenden Lippen ein Name.
    »Tukákame! – Tukákame…«
    Dumpf hallte es von den Wänden wider. Geisterhaft warf das Echo die Worte zurück.
    »Tukákame… Tukákame … kame …«
    Und mit dem letzten Widerhall schien auch die Lebensflamme des alten Indio zu verlöschen.
    Einmal noch bäumte er sich auf.
    Sein Körper verkrampfte sich, ein wimmernder Laut kam aus seiner Kehle. Er schwankte heftiger, konvulsivische Zuckungen liefen durch seine knieende Gestalt – und dann, mit einem tiefen Atemzug, löste sich der Krampf, Jacahiros Muskeln erschlafften, und sanft wie ein abgerissenes

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