003 - Der Puppenmacher
zurückgeben – nur wird sie dann entweiht, geschändet und seelenlos sein. Ich werde sie dir ins Jenseits nachschicken, Hermaphrodit!«
Teuflisch lachend verließ der Puppenmacher mit Coco auf den Armen Phillips Zimmer. Zurück blieb ein völlig gebrochenes Wesen, das keinen Platz in dieser Welt hatte – und dem man eben das einzige genommen hatte, das ihm etwas bedeutete: Alina.
An einen Pranger gebunden war Dorian Hunter gezwungen, einer Auspeitschung als Zeuge beizuwohnen. Der Delinquent war halb Mann, halb Frau, ausgestattet mit überdimensionalen Brüsten. Es wurde von einem Alten ausgepeitscht, der Schlitzaugen und schlohweißes Haar hatte, das ihm in Büscheln nach allen Seiten vom Kopf abstand.
Plötzlich schrillte irgendwo eine Glocke. Das Bild verblaßte, und Dorian fand sich in dem ledernen Fauteuil in seiner Bibliothek wieder. Die Leselampe brannte noch. Auf dem Tisch lag ein aufgeschlagenes Buch. Dorian erinnerte sich wieder, daß er letzte Nacht etwas hatte nachschlagen wollen, das mit Phillip Hayward in Zusammenhang stand. Offensichtlich war er über seiner Lektüre eingeschlafen.
Erneut schrillte die Haustürglocke. Der Dämonenkiller fuhr sich mit der Hand durch das Haar und band seinen Morgenmantel zu.
Beim dritten Läuten war er hellwach. Ein Blick zu der Wanduhr, die inmitten von Folterinstrumenten, Urkunden aus der Zeit der Hexenverbrennungen und anderen schaurigen mittelalterlichen Reliquien an der Wand hing, zeigte ihm, daß es sechs Uhr morgens war. Wer mochte ihn zu so früher Stunde schon besuchen? Eigentlich konnte es nur Donald Chapman sein, der mit seinen Nachforschungen Erfolg gehabt hatte.
Gähnend schlurfte Dorian durch den Korridor und öffnete die Tür.
Draußen war es noch finster, Nebel hüllte das Haus ein. Die Sichtweite betrug keine zehn Meter.
Vor der Tür stand niemand, doch als Dorian zu Boden blickte, entdeckte er ein Paket, das jemand dort abgelegt hatte. Es handelte sich um einen würfelförmigen, braunen Karton mit einer Seitenlänge von etwas mehr als einem Fuß. Dorian hob ihn vorsichtig auf und betrachtete ihn von allen Seiten. Der Karton war verhältnismäßig leicht und wies eine recht eigenartige Verschnürung auf. Das mit schwarzer Farbe getränkte Band war kein einziges Mal überkreuzt, sondern nur über die Ecken gebunden worden; quer über die Flächen gewickelte Schnüre hielten die Eckverbindungen zusammen; darüber hinaus war das Band in Abständen von drei Zentimetern immer wieder verknotet. Dorian schüttelte den Karton und horchte sogar daran, aber kein Geräusch wies auf den Inhalt hin, dabei hätte es ihn nicht einmal verwundert, das Ticken einer Zeitbombe zu hören.
»Das ist ein Gruß vom Puppenmacher!« ertönte eine krächzende Stimme aus dem Nebel.
Dorian fuhr hoch. Der Dunst hatte sich etwas gelichtet, und er sah die Gestalt eines Mannes in abgerissenen Kleidern vor sich. Er konnte sogar Einzelheiten in seinem Gesicht erkennen: die eingefallene Backen, tief in den Höhlen liegende Augen, eine scharf hervorspringende Nase. Im nächsten Augenblick war die Erscheinung jedoch wieder verschwunden. Dorian sah ein, daß bei dem dichten Nebel eine Verfolgung keinen Sinn hatte, noch dazu im Morgenmantel und in Pantoffeln. Er warf die Eingangstür zu und kehrte in die Bibliothek zurück, die durch die mittelalterlichen Reliquien an ein Museum erinnerte. Lilian hatte die Bibliothek immer nur als Gruselkabinett bezeichnet.
Dorian stellte den verschnürten Karton auf den Tisch und starrte ihn an. Er würde ihn öffnen, das war klar, aber bevor er es tat, wollte er einige Vorsichtsmaßnahmen treffen. Er zog mit weißer Kreide einen Kreis um den Karton und malte innerhalb und außerhalb Schriftzeichen und Formeln auf die Platte, die der Abschreckung und Bannung von Dämonen dienten. Dann erst durchschnitt er die Verschnürung. Nichts geschah. Er wartete dennoch eine volle Minute, bevor er den Deckel abhob.
Dann aber schrie er entsetzt auf und hob abwehrend die Hand hoch. Etwas sprang ihn direkt aus der Schachtel an. Das Ding prallte gegen seinen Unterarm und verbiß sich im Stoff seines Morgenmantels. Jetzt erst erkannte Dorian, daß es sich um eine menschenähnliche Puppe handelte, eine Puppe in einem Flitterkleid. Sie lebte. Aus funkelnden Augen blitzte sie ihn an, fletschte ihr schwarzes Gebiß und wollte noch einmal zubeißen. Dorian schleuderte die Puppe von sich. Sie flog quer durch den Raum, prallte gegen die Wand und fiel zu Boden. Als
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