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003 - Der Totentanz

003 - Der Totentanz

Titel: 003 - Der Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alphonse Brutsche
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bald begrüßen und in die Arme schließen.«
    Dann hatte Pierre Merlin die Wohnung verlassen.
    Die Rue du Bon-Retour war kurz und schmal. Um sie zu finden, hatte sich Pierre in einem winzigen Lebensmittelgeschäft erkundigen müssen. Die Besitzerin, eine unförmig dicke Frau, war mürrisch mit ihm zur Ladentür gegangen und hatte ihm die Gasse gezeigt, die auf der anderen Straßenseite abzweigte. Sie hatte keine Gehsteige und war nur ein schmaler Einschnitt zwischen zwei Häusern. Er bedankte sich bei der Frau.
    »Aber da sind doch gar keine Hauseingänge«, rief sie ihm nach, als er sich entfernte. »Die sind alle hier an dieser Straße.«
    Pierre bog in die Gasse ein, die so schmal war, dass kein Fahrzeug hindurch kam. Als er die ersten Schritte zwischen den hohen, grauen Häuserwänden zurückgelegt hatte, bildete er sich ein, in der Nähe ein heiseres Lachen zu hören. Dann entschied er, dass er sich gewiss getäuscht hatte. Der Himmel war jetzt ganz schwarz geworden. An den Hauswänden waren nur schmale kleine Fenster zu sehen, wie man sie sonst in Badezimmern und Toiletten findet. Pierre wunderte sich, dass diese Gasse überhaupt als Straße bezeichnet wurde. Der Boden war mit großen Pflastersteinen bedeckt, wie man sie schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr verwendete.
    Pierre blickte sich suchend um. Es war inzwischen so dunkel, dass er kaum die Hand vor den Augen sah. Er ging an der rechten Hauswand entlang, fand aber keine Tür, und das einzige Fenster, das er entdeckte, war mit hölzernen Fensterläden verschlossen, die obendrein auch noch vernagelt waren.
    Pierre fand die Tür erst nach längerem Suchen. Sie war aus Holz und mit eisernen Beschlägen versehen. Er hatte den Eindruck, dass sie schon sehr alt war. Das Besondere an ihr war, dass sie ein großes Guckloch hatte, aus dem ein flackernder Lichtschein drang, so als habe man eine brennende Kerze dahinter aufgestellt.
    Anscheinend hatte man sie erst jetzt entzündet, sonst hätte er die Tür wohl schon eher sehen müssen. Die Farbe des Lichtscheins war nicht weiß oder gelblich, sondern blutrot.
    Pierre suchte nach einem Namensschild, fand aber keines. Dennoch zweifelte er nicht daran, dass der Landstreicher hinter dieser Tür auf ihn wartete. Er hob die Hand, um zu klopfen, und schon öffnete sich die Tür.
    »Herein, herein, lieber Merlin«, sagte eine heisere Stimme, die ihm wohlbekannt war.
    Er zögerte einen Moment, dann trat er ein. Ein Windstoß folgte ihm und trieb Regentropfen herein, die auf die braunen Fliesen des Fußbodens fielen.
    Die Tür schloss sich hinter ihm.
    »Bitte, machen Sie es sich bequem«, sagte Bornimus. »Geben Sie mir Ihren Mantel und Ihren Hut.«
    Der kleine Mann mit dem runden geröteten Gesicht und den langen grauen Haaren streckte die Hand nach seinem Mantel aus. Pierre wich instinktiv zurück.
    »Ich muss gleich wieder gehen«, sagte er erregt, aber mit gedämpfter Stimme, so als habe er Angst, irgendein schlafendes Gespenst zu wecken, das sich in einer dunklen Ecke des Zimmers aufhalten mochte.
    Er sah sich suchend um und erwartete, irgendwelche Anzeichen für die Magie zu finden, die hier ausgeübt wurde. Doch vergebens. Von der Decke hing eine elektrische Birne ohne Schirm, die ein hässliches, ganz und gar nicht geheimnisvolles Licht ausstrahlte. Der rote Lichtschein, den er von draußen gesehen hatte kam daher, dass man das Guckloch von innen mit einem Stück rotem Zellophan bedeckt hatte.
    Das Licht flackerte jedoch nicht, und Pierre fragte sich, wodurch wohl dieser Eindruck entstanden war. Vielleicht einfach nur durch den Schatten von Bornimus, der im Zimmer auf und abging.
    Der Raum hatte eine gewölbte Decke und wirkte sehr alt. Sonst war er in keiner Weise bemerkenswert. Eine der Wände war mit unregelmäßig aufgehängten Bücherbrettern bedeckt, die darauf stehenden Bände sahen ebenfalls sehr alt aus. Es schienen seltene Exemplare zu sein. Sie waren alle in Schweinsleder gebunden. Werke über die Schwarze Kunst? Hexenbücher? Die Handbücher berühmter Zauberer? Pierre hätte nichts mehr in Erstaunen versetzen können.
    »Die Geheimnisse des Lebens und des Todes findet man nicht in Büchern, seien sie auch noch so alt, lieber Merlin.« Bornimus hatte den Blick seines Besuchers bemerkt.
    Der alte Mann mit dem rötlichen Gesicht trat an die Bücherbretter und strich liebevoll über einige der Bände. Er warf seinem Gast einen listigen Blick zu.
    »Die Geheimnisse des Lebens und des Todes kann man

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