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003 - Der Totentanz

003 - Der Totentanz

Titel: 003 - Der Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alphonse Brutsche
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erlernen, und man kann sie weitergeben. Aber das ist leider eine Fähigkeit, die verloren geht. Die Menschen von heute glauben an nichts mehr. Außerdem dauert das Studium dieser Kunst viele Jahre. Erst wenn man sein Leben schon fast beendet hat, kann man mit dem Lernen aufhören. Auch ich kenne nur einen kleinen Teil von dem, was die alten Meister beherrschten. Aber ich habe ja noch Zeit weiterzulernen.«
    Die durchdringenden blauen Augen ließen Pierre nicht los. Er stand regungslos mitten im Zimmer, die Hände in den Taschen und den Hut noch immer auf dem Kopf. Die Worte des Alten ärgerten und faszinierten ihn gleichzeitig. Die alten Meister … Die Geheimnisse des Lebens und des Todes … Was schwatzte der alte Scharlatan da? Er war nicht hergekommen, um sich dieses Gerede anzuhören, sondern um … Er zuckte zusammen. War er denn verrückt geworden, dass er tatsächlich glaubte, dieser arme Irre könnte ihm seine Frau wiedergeben? Er durfte keine Sekunde länger hier bleiben.
    »Wollen Sie schon wieder gehen? Sie haben doch Ihren Wunsch noch gar nicht geäußert.«
    Die rauhe Stimme hielt ihn zurück. Er wandte sich um und warf einen raschen Blick auf das Gesicht des Alten. Er zögerte. Vielleicht dachte Bornimus, er habe Angst. Das sollte er aber nicht von ihm glauben.
    »Ihr Hokuspokus macht auf mich nicht den geringsten Eindruck«, erklärte er mit einer Stimme, die nicht so ruhig klang, wie er es gern gewollt hätte.
    »Es ist eine Wissenschaft, lieber Merlin, eine Wissenschaft«, erwiderte Bornimus lächelnd. »Ich habe sie mein ganzes Leben lang studiert, jeden Tag, seit nunmehr hundertfünfzig Jahren.« Er lachte erneut. Pierre sah ihn ungläubig an. Wollte der Alte jetzt auch noch behaupten, einhundertfünfzig Jahre alt zu sein?
    »Von mir aus«, sagte er hart. »Ich glaube alles, was Sie wollen. Aber verlieren wir keine Zeit. Sie haben recht, ich bin hier, um … nun ja, Sie wissen es ja. Handeln Sie also und ersparen Sie mir Ihr Gerede.«
    Bornimus hob die Hand und winkte ihn zu sich.
    »Kommen Sie, mein Lieber«, sagte er mit seiner heiseren Stimme.
    Pierre trat zu ihm. Seine Absätze klapperten auf dem Fliesenboden. Als er bei Bornimus war, führte dieser in einen engen, dunklen Korridor. Sie kamen an einer kleinen Tür vorbei und traten dann in einen anderen Raum. Er war durch eine Speziallampe in orangefarbenes Licht gehüllt. Pierre folgte dem Alten an eine Art Trog, der die ganze Rückwand des Raums einnahm. Neugierig blickte er hinein. Er enthielt weiter nichts als Erde, aus der jener merkwürdige Geruch aufstieg, der Bornimus immer umgab. Der Alte sah Pierre von der Seite an.
    »Das ist der erste Schritt«, sagte er leise. »Man muss der nährenden Erde die Körner des Lebens entnehmen, die Körner des Soma … Sie umschließen alle Kraft der lebenden Materie, die in ihnen schlummert.«
    Bornimus’ Atem ging rasch. Plötzlich berührte etwas Pierres Bein. Er fuhr zusammen und stieß einen halbunterdrückten Schrei aus. Eine große Katze von undefinierbarer Farbe rieb sich an seinem Bein und sah zu ihm auf.
    »Das ist Baubo«, sagte Bornimus. »Sie heißt nach einer ihrer Vorfahren, einer Hexe.« Er lachte. »Anscheinend merkt sie, dass sich eine Wiedererweckung vorbereitet.«
    Pierre Merlin runzelte unwillig die Stirn. Er bemühte sich, die Worte des Alten nicht ernst zu nehmen, aber sie prägten sich ihm dennoch tief ein. Wenn er sich nicht zusammennahm, würde er völlig unter den Einfluss dieses Narren geraten.
    »Aber auch die Lebenskraft des Soma muss genährt werden«, fuhr Bornimus fort. »Dazu braucht man ein paar Tropfen Blut. Geben Sie mir bitte Ihr Handgelenk.«
    »Wie?« fragte Pierre verdutzt.
    Der Alte streckte eine Hand nach ihm aus. Wie durch Zauberei hielt er plötzlich in der anderen einen Dolch.
    »Sie sind ja verrückt!« rief Pierre. »So sieht Ihre Wissenschaft aus? Warum? Kommt gar nicht in Frage.«
    »Ihr seid doch alle gleich«, sagte Bornimus seufzend und schüttelte den Kopf. »Alles wollt ihr haben, aber nichts geben. Also schön, dann müssen wir uns eben anders behelfen, wenn Sie nicht einmal ein paar Tropfen Ihres kostbaren Blutes opfern wollen, das Christine doch braucht.«
    Mit diesen Worten hatte Bornimus den Raum durchquert, den Dolch mit der blitzenden Klinge in der Hand. Auf der anderen Seite standen zahlreiche Käfige an der Wand, die Pierre bisher noch nicht bemerkt hatte. Jetzt hörte er leise Schreie und ein Quieken, das immer lauter und ängstlicher

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